HANNOVER (ro). Der Blick aus dem Fenster ist trügerisch. Fußball bei Eiseskälte und Schnee - da kommt jedem 96-Fan das letzte Heimspiel eine Woche vor den Weihnachtsfeiertagen in den Sinn. Gebibbert und dann nach einer 2:0-Pausenführung noch kläglich 2:3 verloren. Unter den gleichen Witterungsbedingungen reist nun der Tabellenletzte Hertha BSC an (Sonnabend, 15.30 Uhr). Für Hannover 96 die Stunde der Wahrheit, die Situation ist gefährlich. Es ist einfach an der Zeit für Trendwende. Die Mannschaft hat seit sechs Wochen nicht mehr gewonnen. Der Abstand zu den Abstiegsplätzen ist auf einen Zähler geschmolzen.
Ein Heimsieg ist Pflicht, ansonsten rutscht das Team völlig in den knallharten Abstiegskampf. Zudem geht es nahtlos mit Kontrahtenten aus dem Tabellerkeller weiter: Es warten die Aufsteiger Mainz (auswärts) und der 1. FC Nürnberg. Pikanterweise trainiert die Franken seit Jahresanfang nun Ex-Trainer Dieter Hecking. In diesen Überlebenskämpfen muss die Mannschaft nun Charakter zeigen.
Die kurze Vorbereitungszeit sorgte keineswegs für einen Funken wärmender Hoffnung bei den Fans. Die Ergebnisse aus den Vorbereitungsspielen waren einfach zu kläglich. Manager Jörg Schmadtke stauchte die Spieler sogar zusammen: Er warf der Mannschaft "Betriebssport-Mentalität” vor. Trainer Andreas Bergmann ist zudem in einer verzwickten Lage: Für das erste Spiel im neuen Jahr muss er auf Karim Huggai (Afrika-Cup), Hanno Balitsch (Gelbsperre) und Leon Andreasen (Muskelfaserriss) verzichten. Die Defensive steht somit auf wackligen Beinen. Höchstwahrscheinlich ist volles Risiko angesagt: Nach nur drei Einheiten mit der Mannschaft soll der Neuzugang Jan Durica (siehe Info-Kasten) als Innenverteidiger neben Mario Eggimann auflaufen. Christian Schulz soll vor der Abwehr abräumen. Schon diese Aufstellungssituation zeigt: 96 wagt sich sprichwörtlich auf das Glatteis.
Um nicht richtig auszurutschen müssen die 96-Spieler zu allererst die kämpferischen Tugenden wieder auspacken. Die Fans erwarten einfach mehr Feuer, sichtbaren Siegeswillen. Für große spielerische Elemente fehlt einfach das Kreativpotential. Dabei sieht es in der Offensive personell weitaus rosiger aus. Jan Schlaudraff, Mike Hanke, Didier Ya Konan und nicht zuletzt Jiri Stajner - die Stürmer zeigen sich angriffslustig. Wer den Vorzug bekommt - da hielt sich Trainer Bergmann am Donnerstag noch bedeckt. In der Spitze ist wohl mit Schlaudraff und Ya Konan zu rechnen. Apropos Schlaudraff: Bleibt er von Verletzungen verschont, könnte er zum Trumpf für 96 im Überlebenskampf avancieren. Mit seiner Technik und seinem Spielverständnis könnte er für lange vermisste Kreativmomente in der 96-Offensive sorgen.
Ob die Auswirkungen von Enkes Selbstmord überwunden sind, darüber wiedersprechen sich die Aussagen. Einerseits gibt es Zeichen dafür, das die Auswirkungen überwunden sind. Andererseits befürchten Experten, dass die Spieler noch traumatisiert sind. Um die Konfrontation mit dieser Thematik zu minimieren ist das große Enke-Trikot in der AWD-Arena inzwischen abgenommen.
Mit breiter Brust reist Hertha an. Trainer Klaus Funkel hat über die Jahreswende kräftig am Unternehmen Klassenerhalt gewerkelt. Das Motto dabei lautet "25 plus X". Der erste Dreier ist dabei sicher schon in der niedersächsischen Landeshauptstadt eingeplant. Mit den Neuzugangen Lewan Kobiaschwili, Theofanis Gegkas und Roman Hubnik gibt es Verstärkungen in allen Mannschaftsteilen. Noch wichtiger: Alle drei verstehen die Ärmel hochzukrempeln. Damit steht fest: Die alten Damen Hertha wird in der AWD-Arena keine Samt- sondern Arbeitshandschuhe tragen. Foto: bb