RINTELN (ste). Die großen Wasser- und Apfelsaftflaschen auf den Tischen der Ratsmitglieder waren schon zu Beginn der jahresletzen Ratssitzung ein sicheres Indiz dafür, dass es länger dauern konnte. Auf der Tagesordnung stand die Verabschiedung der Haushaltssatzung und anders als in einigen Jahren zuvor galt es nicht über eine "freie Spitze" oder einen ausgeglichenen Haushalt zu beraten, sondern erstmals musste man über einen defizitären Haushalt abstimmen.
Und das hatte bereits im Vorfeld der Sitzung zu Forderungen nach Sparvorschlägen quer durch die Fraktionen geführt. Eigentlich war man sich sogar weitgehend einig, wie und wo gespart werden müsse. Doch eine breite Basis erhielt der Haushalt dennoch nicht. Mit 20 Ja-Stimmen aus SPD und Grünen gegen 17 Nein-Stimmen von CDU/FDP und WGS wurde der Haushalt letztlich knapp verabschiedet und die CDU-/FDP scheiterte mit ihrer Forderung nach einer Verschiebung der Debatte in das erste Quartal 2010.
Ulrich Goebel hatte zuvor noch versucht, den Ratsmitgliedern diese Verschiebung schmackhaft zu machen. Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz, kritisierte er, habe als Kopf der Verwaltung lediglich die "freiwilligen Leistungen" der Stadt aufgelistet, selbst jedoch keine Sparvorschläge unterbreitet. "Ich habe das Gefühl, der Bürgermeister hat die Flinte ins Korn geworfen", so Goebel, der einen "Masterplan" für die Entwicklung der Stadt forderte und die Bereitschaft der CDU erklärte, an verantwortungsvollen Strukturänderungen in der Stadt mitzuarbeiten. Zuvor hatte Klaus Wißmann als Sprecher der Mehrheitsfraktion (SPD) von dramatischen Einbrüchen bei den Gewerbesteuerzahlungen mit wenig Hoffnung auf schnelle Besserung gesprochen. Doch Wißmann sah, anders als Goebel, die Zahlen jetzt schon als ausreichend an, um darüber abzustimmen: "Wir haben Straßenausbauten gestrichen, schaffen Feuerwehrautos nicht an und sagen klar NEIN zum Kindergartenausbau in Steinbergen!"
Mit einer leichten Erhöhung der Parkgebühren stärke man die Einnahmeseite und mehr gehe derzeit nicht.
1,3 Millionen Euro an Defizit hat die Stadt im Haushalt zu verkraften. Stadtkämmerin Cornelia Budde, die nach einer Strukturänderung in den Dezernaten der Stadtverwaltung künftig neben dem Finanzverwaltungsamt auch das Hauptamt unter sich haben wird, machte die Finanzkrise, die Abschreibungen durch die Doppik und das Rinteln-spezifische Strukturdefizit durch eine kostenintensive Infrastruktur für das Dilemma in der Kasse verantwortlich.
Gewohnt hart ins Gericht mit der Verwaltung ging Gert Armin Neuhäuser. Von seinem SPD-Gegenüber Klaus Wißmann forderte er mehr Ehrlichkeit und Selbstkritik.
Die Finanzkrise sei nur zum Teil Schuld an der Lage der Stadt. Vielmehr habe man Einnahmezuwächse in den Jahren 2007 und 2008 nicht vorausschauend genutzt und sich daher selbst in eine Situation gebracht, die Rintelns Pro-Kopf-Verschuldung über die von Obernkirchen wachsen ließ, das lange Zeit als das Armenhaus Schaumburgs galt.
Und immer noch gäbe es Phantasien von Rinteln als "Hafenstadt" und die SPD gebe Geld aus, als wenn in der Stadtverwaltung ein Goldesel stände. Wenn man jetzt den Bürgern in die Tasche greifen wolle, dann ohne die WGS: "Keine Hallennutzungsgebühren, keine zwangsweise Schließung von Dorfgemeinschaftshäusern, keine Tourismus Projekte, bei denen man "...barfuß durch Aerzen" oder "auf dem Pilgerweg durch das Auetal" wandern kann", so Neuhäuser.
Der Haushaltsplan, so der WGS-Fraktionssprecher, biete keine Perspektiven. Ein Stadtentwicklungsplan fehle und die Arbeitslosenzahlen steigen stärker als in angrenzenden Gemeinden.
Eine "...Zustimmung ohne fliegende Fahnen" gab es von Ursula Helmhold von den Grünen. Sie bescheinigte den Haushaltskonsolidierungsverhandlungen Halbherzigkeit und wollte in einem Nachtragshaushalt konkret erarbeitete Sparvorschläge eingearbeitet wissen. Die Verwaltungsschelte von WGS und CDU sah sie als unbegründet an: "Eine Verwaltung verwaltet und gestaltet nicht; das machen wir als Rat!"
Paul-E. Mense von der FDP forderte in seiner Haushaltsrede genauere Zahlen, auf denen die Politik ihre Entscheidungen aufbauen könne: "Mit uns gibt es keine Leistungskürzungen für Bürger, wenn wir nicht wissen, wo sonst im Haushalt noch gespart werden kann!"
Völlig unerwartete Töne schlug Heinrich Sasse von der WGS an. Als einer der Ratsherren mit der längsten Ratserfahrung hat er im Laufe der Jahre schon viele Haushaltsreden mit verfolgt und selbst gehalten: "Wenn jedoch heute irgendjemand denkt, dass es auch nur ansatzweise die Chance einer Möglichkeit für den großen Einspar-Coup gibt, dem sage ich: Das ist Quatsch!" Sasse mahnte an, über die Parteigrenzen hinweg emotionslos und sachlich Sparvorschläge zu diskutieren und erhielt damit quer durch alle Fraktionen Applaus. Foto: ste