1. Wenig Bereitschaft zum Kampf gegen Rechts

    Wissenschaftler der Uni Bielefeld präsentieren "Sozialraumanalyse" für Nenndorf

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    BAD NENNDORF (pd). Wie stellt sich die Samtgemeinde Nenndorf in einem bundesweiten Vergleich unter anderem im Bezug auf die Aufmärsche von Rechtsradikalen in der Kurstadt dar? Wie hoch ist das Potenzial in der Bevölkerung, sich dem entgegen zu stellen? In welchen Bevölkerungsschichten gibt es offen geäußerte demokratiefeindliche Denkweisen? Diese und andere Fragen waren Gegenstand einer Studie, deren Ergebnisse jetzt von zwei Wissenschaftlern der Universität Bielefeld im Pavillon der "Curanum-Residenz" präsentiert wurde. Das Interesse daran war groß, kaum ein Platz blieb unbesetzt. Zum Bedauern der Referenten und der interessierten Zuhörer waren Jugendliche der Veranstaltung weitgehend ferngeblieben.

    Mit großem Interesse verfolgten die Zuhörer die Ausführungen der beiden Wissenschaftler.

    Andreas Grau referiert.

    Wo steht die Samtgemeinde Nenndorf in Bezug auf "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit?" war eine der Grundfragen, die an dem Abend zur Sprache gebracht wurde. Im Rahmen eines Vortrages von Professor Wilhelm Heitmeyer und Sozialwissenschaftler Andreas Grau brachten die Ergebnisse einer im vergangenen Sommer durchgeführten Bevölkerungsumfrage vor. Der Modellversuch, der erst in Ostdeutschland und jetzt auch in westdeutschen Städten läuft, ist vor dem Hintergrund der alljährlichen Naziaufmärsche in der Kurstadt durchgeführt worden. 200 Männer und 295 Frauen ab 17 Jahren sind per Zufallgenerator ausgewählt worden. In dem rund 35 Minuten dauernden Interview hatten die Freiwilligen am Telefon 100 Fragen zu beantworten. Dabei ging es unter anderem darum, wie verbreitet demokratiefeindliche Einstellungen sind.

    Wichtig war auch zu erfahren, wie ausgeprägt die Bereitschaft zum Engagement gegen Nazis vor Ort sei und wie hoch das Ausmaß "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" überhaupt ist. Alles mit dem Ziel zu erfahren, wo die bürgerschaftlichen Potenziale liegen. "Rechtsextremismus als öffentliche Angelegenheit" war von den Wissenschaftlern im Zuge des Modellversuchs als Hauptthema. Welche Einstellungsmuster existieren in der Bevölkerung? Welche "Rechtsextreme Raumstrategie" könnte hier greifen? wurde bei der Auswertung der Antworten analysiert. Eine wichtige Aussage der Studie wurde gleich zu Beginn vorgetragen: Entgegen der Propaganda der Neonazis bestätigten die Ergebnisse keine herausragende Fremdenfeindlichkeit. Dennoch bekannten sich 16,5 der Befragten zu fremdenfeindlichen Tendenzen, 17,8 Prozent verhehlten nicht ihre Abneigung gegen Langzeitarbeitslose. Ihre Abneigung gegen Homosexuelle haben 15,1 Prozent der Anrufer ausgesprochen, damit liegt Nenndorf im Vergleich zu Ergebnissen in anderen Städten im Mittelfeld. Kaum erwähnenswert ist der Anteil der derjenigen, die Vorbehalte gegen Behinderte äußerten, es waren 1,9 Prozent der Befragten.

    Eine klare Aussage machte der Sozialwissenschaftler Andreas Grau anhand der Auswertung: "Je älter die Befragten, desto größer das Ausmaß an gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit". Niedriger als in anderen Orten ist hier offenbar die Bereitschaft, sich bürgerschaftlich gegen Rechte zu engagieren. Hier liegt die Quote bei bescheidenen 65,4 Prozent, das liege unter dem Bundesdurchschnitt, so die Wissenschaftler. Die Teilnahme an Demonstrationen mit Gewaltpotenzial sehen nur 6,3 Prozent der Befragten als Lösung für sich. "Die Ergebnisse machen deutlich, dass im Vergleich mit den im Osten durchgeführten Umfragen die feindseligen Mentalitäten hier eher geringer ausgeprägt sind", so Professor Heitmeyer.

    "Einmal ´ne Demo haut´ nicht hin", so Heitmeyer. Man müsse Normalisierungsprozesse stoppen und das ginge eben nicht durch Ignoranz. Die Nenndorfer Bürger müssten klar Position gegen die rechten Marschierer beziehen. "Raus aus der Schweigespirale" forderten die beiden Referenten. Wichtig sei Zivilcourage gegenüber rechtsextremistischen Tendenzen, auch im eigenen engen Umfeld von Freunden oder Arbeitskollegen.

    Bei einem Blick in die Runde fiel Professor Heitmeyer auf, dass sehr wenig junge Menschen den Weg ins "Curanum" gefunden hatten. Auch daran müsse gearbeitet werden. Im Januar wird das beauftragte Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld in Zusammenarbeit mit dem Landespräventionsrat einen Workshop anbieten. Dabei sollen auch Schulen und Vertreter aus Vereinen aktiv mitmachen. Der genaue Termin wird noch bekannt gegeben. Foto:pd

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