1. Das Fernsehen überträgt Reformationsgottesdienst live

    Landesbischöfin Margot Käßmann hält erste Predigt als EKD-Vorsitzende in Wunstorf WUNSTORF -pot- Mit dem durch das NDR-Fernsehen übertragenen Gottesdienst zum Reformationstag erlebten die Gläubigen in der bis auf den allerletzten Platz gefüllten Stiftskirche einen in mehrfacher Hinsicht historischen Augenblick. Zum einen hörten sie die erste Predigt von Landesbischöfin Margot Käßmann, die gerade erst als erste Frau in das Amt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirchen Deutschlands (EKD) gewählt wurde, die Landeskirche feierte den Reformationstag offiziell in Wunstorf. Zum anderen wurde das alles, ebenfalls erstmals, durch das Fernsehen aus einem Gotteshaus unserer kleinen Stadt übertragen. Mindestens zwei Gründe davon hatten die Stifts-Kirchengemeinde veranlasst, die durch den enorm technischen Aufwand, von dem bei der Übertragung nicht das Geringste zu sehen war, stark beschränkte Anzahl der Plätze in der Kirche eine Woche vorher unter den Interessierten zu verlosen. Der Andrang war beängstigend groß. Wer ein Glückslos gezogen hatte, kam schon eine Stunde früher zum Stiftshügel, reihte sich in die lange Schlange von der Stiftskirche bis zum Stadtgraben ein und wartete geduldig, bis sich die Kirchentore, den Forderungen des Fernsehens entsprechend, erst 30 Minuten vorher für sie öffneten. Superintendent Michael Hagen, als "Oberordner des äußerlichen Geschehens" mit einem Megafon ausgestattet, musste seine ganze Beschwichtigungskünste anwenden, um die Interessierten zu beruhigen, die keine Eintrittskarte hatten und infolge dessen draußen bleiben mussten. Eine Aufgabe, die ihm sicherlich keine Freude bereitete, bei der er aber, wie er uns sagte, durchweg auf Verständnis stieß. Verständlich, dass jeder mit dabei sein wollte, immerhin waren zusammen mit der Landesbischof auf ihren besonderen Wunsch hin auch die bekannte Gruppe "Die Prinzen" nach Wunstorf gekommen. Für sie war der Gottesdienst zugleich Premiere für eine besondere Tournee, die sie nicht zuletzt als ehemalige Thomaner durch Kirchen in Norddeutschland antreten werden.

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    Insgesamt gesehen war es ein lebendiger, interessanter und kontrastreicher Gottesdienst, dem letztlich aber in vielen Abschnitten durch seine "Show-Anteile" der für einen Reformationstag wichtige Tiefgang fehlte. Den erhielt er durch die von Oliver Jaksch gelesenen Texte von Martin Luther, durch die Stiftskirchen-Schola unter Leitung von Claudia Wortmann und vor allem durch die Predigt der Landesbischöfin. Sie bedauerte in Anlehnung an das Prinzenlied "Du musst ein Schwein sein in dieser Welt", dass damals wie heute der Ehrliche in unserer Gesellschaft der Dumme ist. Unsere Welt würde nach dem Dogma leben, dass Geld und Erfolg glücklich machen. Richtig sei aber, dass Jesus denen Glück zuspricht, die sich ganz auf Gott verlassen. Das sei etwas ganz anderes, als der heutige entleerte Glücksbegriff. Viele sehen nach ihren Worten die Zukunft des christlichen Glaubens in unserem Land skeptisch. Das dürfe nicht entmutigen, von den Hoffnungen zu sprechen, die gerade der Glauben gibt. Käßmann: "Wir können etwas ausstrahlen von der Lebenslust, die wir doch haben, weil Gott uns Lebensrecht und Würde zuspricht."

    Für sie und Deutschland wünsche sie sich gerade am Reformationstag nicht den Rückzug in eine Nische, sondern mutig hinein in die Auseinandersetzungen mit der Zeit. Dazu aber benötige man eine Substanz des Glaubens und eine Spiritualität, die ihn erfahrbar und lebendig werden lässt. Die EKD-Vorsitzende: "Wir benötigen eine Gemeinschaft, die uns hält, Hoffnungen und Träume, die alles Scheitern und alle Alltagsprobleme überschreiten." Unsere Gesellschaft würde geradezu warten auf Eckdaten und Orientierungspunkte, auf Gegenbilder. Die Christen müssten anfangen, eine ehrliche und überzeugende Kontrastgesellschaft zu sein und danach zu leben.

    Dazu passten die von Oliver Jaksch zur Einführung gesprochenen Luther-Worte: "Ja, die Welt will des Teufels sein. Mir scheint, sie ist wie ein betrunkener Bauer: hebt man ihn auf der einen Seite in den Sattel, fällt er auf der anderen Seite wieder herab. Man kann ihr nicht helfen, man stelle sich an wie man wolle."

    Man bewundere den Mut von Fritz Baltruweit, in dessen Händen die musikalische Leitung des Gottesdienste lag. Er übte aufgrund des sehr engen Zeitfensters erst ganze acht Minuten vor Beginn der Übertragung ganz neue Lieder mit der Gemeinde ein. Darunter sogar auch einen Kanon. Praktiziertes Gottvertrauen, das letztlich auch belohnt wurde.

    Durch den Gottesdienst führte souverän der kameraerprobte ARD-Fernsehpastor Jan Dieckmann. In seinen Händen lag auch die kirchliche Gesamtleitung. Die Lesungen der Bibeltexte erfolgten durch Michaela Allendorf. Foto: pot

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