RODENBERG (al). Hans Janietz kennt wie kaum ein Anderer die Welt der Briefmarken: Seit über 60 Jahren sammelt er und hat in dieser Zeit allein schon zweimal alle Portobelege von Gesamtdeutschland aus der Zeit seit 1945 komplettiert. Doch der 72-Jährige verbringt seine Zeit nicht nur im stillen Kämmerlein. Seit der Gründung leitet er den Verein der Briefmarkenfreunde Rodenberg und Umgebung. Die Gemeinschaft feiert an diesem Freitag, 13. November, das 40-jährige Bestehen in festlichem Rahmen.
Dass Phialetelisten nicht allein über Alben und Kataloge brüten müssen, hat Gründe. "Da kann man viel verkehrt machen", weiß Janietz aus langer Erfahrung und von zahlreichen Enttäuschungen anderer Sammler. Sie haben ihre Schätze entweder falsch aufbewahrt oder sich im Umfang ihrer Gebiete verzettelt: "Es tut mir in der Seele weh, wenn ich aus achtlos weggepackten Tüten zusammengeklebte postfrische Marken ziehen muss." Sie sind wertlos geworden. Andere suchen einen schlechten Weg für den etwaigen Verkauf – und ärgern sich über geringe Erlöse. "Aber den großen Reibach", sagt Janietz, "kann man mit Briefmarken heutzutage nicht mehr machen. Aufzulösende Sammlungen überschwemmen den Markt. Hinzu kommt, dass eine junge Generation kaum noch nachwächst: "Die sitzen lieber am Computer."
Der Rodenberger denkt schon ein wenig wehmütig an alte Zeiten, als unter seiner Leitung bundesweit die größte Jugendgruppe existierte und er selbst Vorsitzender des Landesrings Niedersachsen/Bremen der Jugend gewesen ist. Damals, 1979, hatte er mit einer "Nationalen Jugend-Briefmarkenausstellung" in Rodenberg ("Najubria") zahlreiche Stände, Sammlungen und Besucher in das hiesige Schulzentrum geholt.
So sollte der langjährige ehemalige Sparkassenleiter zum Glücksfall in der Region werden. 1968 war Janietz mit Familie und großer Briefmarkensammlung an den Deister gekommen. Den Wert eines Philatelievereins hatte er zuvor im Saarland erfahren. Bald verabredete er sich mit Ludwig Wahlmann und 13 weiteren Gründern und hob 1969 die hiesigen "Briefmarkenfreunde" aus der Taufe – und stellte später daraus sogar die Weichen für den örtlichen Heimatbund. Heute gehören der Gemeinschaft 70 Mitglieder an, von denen sich etwa 20 regelmäßig bei den monatlichen Klubabenden einfinden. Der Verein leistet auch in anderer Hinsicht Unterstützung: Mitglieder können auf eine umfangreiche Katalog- und Fachbuchsammlung zurückgreifen.
Nur in einem Punkt fällt Janietz’ Bilanz nach 40 Jahren negativ aus: Die einst so blühende Nachwuchsarbeit ist völlig zum Erliegen gekommen: "Ich kann es nicht mehr." Bis vor einem Jahr hatte er sich selbst einmal im Monat den Jugendlichen gewidmet. Früher gestaltete er sogar kurzweilige Einheiten im Sachkundeunterricht der örtlichen Schule: "Was haben wir da für viele neue Mitglieder gewonnen." Vergeblich sucht er schon lange nach jungem Ersatz, der an dieses Engagement anknüpfen könnte. Die Schule selbst sei nach wie vor daran interessiert.
Sogar den Vorsitz will der Senior unter den Sammlern im nächsten Jahr unwiderruflich niederlegen. Schon einmal war er nach einer schweren Verletzung ausgeschieden, ließ sich aber nach der Genesung neu in die Pflicht nehmen. "Jetzt ist aber wirklich Schluss", wissen die Mitglieder bereits. Und Janietz ist optimistisch: "Das wird sich alles finden.".
So könnte das Fest an diesem Freitag zu einem ersten großen Schlussstrich unter die mit dem Namen Janietz verbundene lokale Briefmarkenära werden. Ein Vortrag will sich mit dem Sammeln in heutiger Zeit beschäftigen. Vielleicht wird auch ein wenig Kritik laut, weil Deutschlands Post mit einem inzwischen zu großen Neuheitenangebot die Sammler quält.
Aber unter dem Ende des ehrenamtlichen Engagements soll Hans Janietz lange Albenreihe nicht leiden. Er will weiterhin sammeln, zum Beispiel die kaum bekannten und nur in geringen Auflagen erschienenen Marken des "Zentralen Kurierdiensts der DDR". Noch vor der Wende habe er die ersten Exemplare über die Grenze geschmuggelt – und Ängste ausgestanden: "Heute", grinst Janietz, "kann ich das ja verraten". Und auch künftig geht er zu Auktionen, blickt in aufzulösende Alben und bewertet diese. "Einmal Sammler, immer Sammler", zuckt er mit den Schultern. Und es blitzen immer noch die Augen, wenn sein Blick auf ein seltenes Stück gezähntes Papier fällt. Foto: al