LANDKREIS/SCHAUMBURG IllINOIS (ste). Fast jeder kennt Schaumburg/Illinois in den USA. Die Stadt, etwa 50 Kilometer nordwestlich von Chicago gelegen, ist die Partnerstadt des Landkreises Schaumburg in den USA. Als "Schaumburg" wurde sie 1852 von Auswanderern aus dem Bereich der heutigen Samtgemeinde Rodenberg gegründet. Seit über 25 Jahren steht die Schaumburger Deutsch-Amerikanische Gesellschaft (SDAG) im Auftrag des Landkreises als Repräsentant für diese Partnerschaft. Kernstück der Arbeit sind Austausche. Wer in einer Familie lebt, lernt die Lebensweise und die Kultur des jeweils anderen am besten kennen. Er lernt sie zu respektieren. Wer die guten Seiten und die Macken des anderen kennt, wird selten auf die Idee kommen, sich mit ihm zu verfeinden. Die aktuelle Austauschgruppe, die Jürgen Wartermann als erster Stellvertretender Vorsitzender der SDAG begleitet hat, war ein erfolgreiches Experiment. Erstmalig gab es mehrere Berufsgruppen, die auf Tour gingen: Feuerwehrleute, Polizisten, Rettungssanitäter und Verwaltungsangestellte im Alter von 21 bis 63 Jahren. SSCC (Schaumburg Sister Cities Commission - die Partner der SDAG in den USA) hatte damit ein breites Feld abzudecken. "Sie hatten ein interessantes Programm zusammengestellt", so Watermann. Die Teilnehmer erhielten durch den Besuch der verschiedenen Einrichtungen viele Informationen über die Struktur Schaumburgs. Angefangen von der Stadtplanung und öffentlichen Einrichtungen über die Schulen, Polizei und Feuerwehr bis hin zum kulturellen Leben. Die Deutschen hatten auch Gelegenheit, ihren amerikanischen Berufskollegen über die Schulter zu schauen und zu sehen, wie diese ihren Job erledigen. Was wird gleich gehandhabt? Welche Unterschiede gibt es? Was ist besser in US-Schaumburg? Aber auch: Was ist zu Hause effektiver organisiert? Hier die kurzen Berichte:
Stadtverwaltung
Feuerwehr und Rettungsdienst
Als Verwaltungsfachkräfte nahmen Manfred Fellmann von der Stadtverwaltung Stadthagen und Burkhard Rohrsen von der Rintelner Stadtverwaltung sowie Sandra Neumann am Austauschprogramm teil. Die drei erhielten im dortigen Verwaltungsgebäude zunächst durch den Direktor für Stadtentwicklung Christopher Huff einen allgemeinen Überblick. Direkt im Verwaltungsgebäude befinden sich das General Government sowie die Abteilungen Community Development, Finance, Human Resources, Information Technology und Transportation. Während Manfred Fellmann und Burkhard Rohrsen tiefer in die Strukturen der Stadtplanung und der Finanzen eintauchten, nahm Esther Peneff, aus der Abteilung für Bürgerbeschwerden Sandra Neumann mit auf eine allgemeine Führung durch alle Abteilungen. Hier konnte sie sich einen Überblick über die Organisation des Rathauses verschaffen und mit der Vorgehensweise in der freien Wirtschaft vergleichen. Viele Mitarbeiter aus völlig unterschiedlichen Verantwortungsbereichen stellten ihre Aufgaben vor. 1961 wurde für die Stadt der erste Generalentwicklungsplan verabschiedet, auf dessen Grundlage die überregionale Verkehrsanbindung ausgebaut wurde und die Stadt innerhalb von 10 Jahren auf 19.000 Einwohner anwuchs. In den 80er und 90er Jahren wurden zielgerichtet große Büro- und Hotelkomplexe, Gewerbe- und Industriegebiete, ein Messe- und Veranstaltungszentrum und vor allem viele große Shoppingmalls entwickelt. Aber auch weitere Wohngebiete mit hohem Naherholungswert und Schuleinrichtungen entstanden, so dass die Einwohnerzahl heute auf 75.000 Einwohner angewachsen ist. Zugleich gibt es heute schon 80.000 Arbeitsplätze in der Stadt. Da aus Platzgründen keine neuen Wohngebiete ausgewiesen werden können, verfolgt die Stadt das Ziel, bis 2020 die Verkehrsinfrastruktur weiter zu verbessern (Ringbahnlinie) und als Beschäftigungsmetropole mit bis zu 130.000 Arbeitsplätzen zu wachsen. Entsprechend soll das Einkaufs-, Messe-, Sport- und Unterhaltungsangebot weiter entwickelt werden. Die Stadtentwicklung profitiert natürlich auch vom angrenzenden internationalen Flughafen O‘Hare und der benachbarten quicklebendigen, hochwertig gestalteten Kunst-, Freizeit-, Einkaufs- und Kulturmetropole Chicago. Das kommunale Planungsrecht ist dem Grunde nach ähnlich wie bei uns aufgebaut, nur scheinen die staatlichen Vorgaben der Landesplanung schwächer ausgebildet zu sein. Der Dezernent für Stadtentwicklung ist für die Bauleitplanung, Baugebietserschließung, Bauaufsicht und - interessanter Weise - für die ökonomische Entwicklungskoordination verantwortlich. Und die Wirtschaftsförderung? Der Dezernent für Stadtentwicklung kann wirklich für die Wirtschaft Türen öffnen, weil er die Schlüssel von der Planung bis zur Wirtschaftsförderung in den Händen hält. Dabei wird er von regionalen Organisationen unterstützt. Beide Einrichtungen haben auf Leitungsebene großes Interesse bekundet, in einen engeren Dialog mit hiesigen Schaumburger Stellen zu treten.
Im Finance Department erläuterte der Leiter Douglas Ellsworth den Ablauf der Geschäftsprozesse, die Buchführung und die Rechnungslegung. Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich durch sieben verschiedene Steuern, deren Erhebung meist durch städtisch festgelegte Prozentsätze erfolgt. Den größten Anteil daran haben die Sales Tax. Diese Steuer erbringt mehr als 62 Prozent des Gesamtaufkommens. Daneben gibt es Steuern von Hotels, Telekommunikation, staatliche Einkommensteuer, anteilige Treibstoffsteuer sowie Lebensmittel- und Getränkesteuer. Dazu kommen die Einnahmen aus der Wirtschaftstätigkeit. Die Stadt präsentiert sich bei der Durchfahrt mit gepflegten Grünanlagen und Gebäuden fast unwirklich wie frisch aus dem Ei gepellt. Keine Graffiti, kein Schmutz auf den Wegen und keine Menschen vom Rand der Gesellschaft sitzen herum. Schaumburg hat eine hohe Konzentration sauberer Industrie- und Dienstleistungsbetriebe, jeder zehnte Einwohner arbeitet bei Motorola. Eine große Zahl von Arbeitnehmern kommt täglich von außerhalb als Pendler hierher zur Arbeit. Eines der größten Einkaufszentren der Welt (Woodfield Mall) und viele kleinere wirken ebenfalls als Magneten. So erklärt sich die augenscheinlich gute finanzielle Lage der Stadt und die üppige, weit über US-Durchschnitt liegende Ausgestaltung der öffentlichen Anlagen, Schulen, Bücherei.
Daniel Möller und Matthias Schlautkötter waren für die Feuerwehr dabei, als Rettungsassistenten Martin Buhr und Thomas Wolff . Sie haben in den USA einen 24 Stunden Dienst und einen Tagdienst auf der Feuerwache 51 absolviert. Ihnen wurden die Fahrzeuge und die Gerätschaften gezeigt und erklärt. Die medizinische Ausstattung auf den Ambulanzen ist zum großen Teil identisch mit der Beladung der Rettungswagen in Deutschland. Ein großer Unterschied ist, dass der Rettungsdienst in Schaumburg-Illinois nur durch die Feuerwehr gestellt wird. Es gibt fünf Feuer- und Rettungswachen in der Stadt, alle sind 24 Stunden am Tag besetzt. Die Ambulanzen haben auch eine feuerwehrtechnische Beladung im geringen Umfang, so ist etwa die Schutzausrüstung für die Brandbekämpfung inklusive Pressluftatmer verladen, damit die Besatzung bei Brandeinsätzen unterstützen kann. Die Arbeitsweise des amerikanischen Rettungsdienstes ist sehr ähnlich mit der unseren, der größte Unterschied besteht darin, dass es keine Notärzte gibt, die Paramedics sind auf sich allein gestellt, haben dafür aber auch eine umfangreichere Ausbildung und können sich telefonisch absichern. Die Feuerwehrfahrzeuge hingegen sind nicht vergleichbar mit deutschen Fahrzeugen. Es gibt drei Hauptkategorien: Engine (Löschfahrzeug), Truck (Drehleiter) und Squad (Rüstwagen). Auf der Engine ist lediglich Ausrüstung für die Brandbekämpfung verladen, es ist ein Wassertank eingebaut und eine Pumpe mit sehr hoher Leistung ist verbaut. Der in Schaumburg verwendete "Truck" hat eine Leiterlänge von etwa 30 Metern (genauso lang wie eine deutsche Drehleiter) und hat eine sehr umfangreiche Ausstattung. In dem Truck sind ebenfalls ein Wassertank und eine Pumpe verbaut. Das Squad hat eine mit deutschen Rüstwagen vergleichbare Beladung, verfügt aber nicht über einen Wassertank. Die Arbeitsweise der Feuerwehr unterscheidet sich zu der deutschen, da die Häuser anders gebaut sind.
Wer Lust hat, auch einmal mitzufahren oder Interesse an der SDAG zeigt, kann sich bei Jürgen Watermann melden. Die Adresse, Telefonnummer und E-Mail sind auf der Homepage der SDAG unter www.sdag-shg.de. Fotos: privat