1. "Die Gefahren für den Sozialstaat sind riesengroß"

    DGB-Chef befürchtet nach dem CDU/FDP-Wahlsieg Sozialabbau / Edathy vermutet Erhöhung der Mehrwertsteuer

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    STADTHAGEN (bb). "Nach der Bundestagswahl - Mehr Chancen oder mehr Risiken für den Sozialstaat", lautete das Referatsthema für den Bundesvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Michael Sommer auf einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten Veranstaltung im Stadthäger Ratskeller. Angesichts des Wahlsieges von CDU und FDP und des guten Abschneidens der Liberalen kam Sommer zu einer eindeutigen Antwort: "Die Gefahren für den Sozialstaat sind riesengroß."

    Sommer verwies in der vom heimischen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy moderierten Veranstaltung auf die Folgen der Krise. Die beiden Konjunkturpakete und die Kurzarbeit, beides nach Sommers Auffassung sehr notwendige und wichtige Maßnahmen, würden enorme Kosten verursachen, ebenso die staatlichen Bürgschaften für die Banken. Diese Schulden müssten abgetragen werden, voraussichtlich über Generationen. "Irgendwer muss es bezahlen", hielt Sommer fest. Nach diesem Wahlausgang sei es sehr unwahrscheinlich, dass die Verursacher der Krise in der Finanzwirtschaft für den Schaden aufkommen müssten. "Die holen es sich bei uns", so Sommer. Vor allem die Arbeitnehmer würden unter der CDU/FDP-Regierung für die Folgen der Krise aufkommen. Die neue Koalition würde versuchen, das Finanzloch mit Sozialabbau, Steuerumverteilung und Privatisierung zu stopfen.

    Als Gewerkschafter würde er einen starken öffentlichen Dienst und eine umfassende Daseinsvorsorge als eine der Säulen des Sozialstaates betrachten. Hier werde die neue Regierung wahrscheinlich den Sparstift ansetzen. Etwa würde sie bald Diskussionen über Einsparungen im Öffentlichen Dienst bei Personal und Gehalt anstoßen. Ebenso würden Themen wie Studiengebühren auf die Agenda kommen.

    Auch bei den sozialen Sicherungssystemen seien Leistungskürzungen zu erwarten. Die FDP strebe an, die aktive Arbeitsmarktpolitik der Agentur für Arbeit weit zurückfahren, Qualifizierungsangebote für Arbeitslose zu streichen. Die Partei wolle die Agentur für Arbeit am liebsten weitgehend auf die Versicherungsfunktion beschränken, so Sommer.

    Im Bereich der Rente stünden eigentlich Entscheidungen an, um etwa Altersarmut in Zukunft zu verhindern. Genau hier werde die neue Koalition jedoch untätig bleiben.

    Zu harten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen werde es im Bereich der Gesundheitspolitik kommen. Es sei zu erwarten, dass die CDU ihre Planungen über eine für alle einheitliche Krankenversicherungsprämie wieder aufnehmen werde. "Dann zahlt der Fahrer so viel wie sein Chef und der Staat soll das wieder über Steuereinnahmen ausgleichen, die er nicht hat", so Sommer. Hinzu komme der Wille der FDP, "die Privilegierung der privaten Versicherungen noch weiter auszubauen".

    Auf Nachfrage von Edathy fügte Sommer hinzu, dass die neue Regierungskoalition nach den verschiedenen Ankündigungen von Steuersenkungen im Wahlkampf jetzt auch tatsächlich in dieser Richtung tätig werden müsse. Diese müssten allerdings angesichts der schwierigen Finanzlage gegenfinanziert werden, über kurz oder lang wahrscheinlich über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die wiederum die sozial schwächsten besonders belaste.

    Außerdem habe die FDP in ihrem Wahlprogramm einen breiten Katalog von Forderungen, die die Rechte der Arbeitnehmer einschränken, etwa im Bereich der Mitbestimmung oder beim Kündigungsschutz.

    Sommer fügte hinzu, dass Kanzlerin Angela Merkel angekündigt habe, die soziale Balance zu wahren. An diesem Wort werde man sie messen. Trotz des Wahlerfolges der FDP bleibe diese doch der kleinere Koalitionspartner. "Die Gewerkschaften werden in dieser Situation tun, was sie immer tun, die Leute vor dem Schlimmsten bewahren", so Sommer. Sebastian Edathy erklärte, dass es für die SPD gelte, nach der Wahlniederlage die Situation sehr gründlich zu analysieren. Auf dieser Basis müsse dann die Oppositionspolitik entwickelt werden.

    Im Anschluss an Sommers Vortrag entwickelte sich eine rege Diskussion mit dem Publikum.

    Foto: bb

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