STADTHAGEN (nb). Auf ein bewegtes Leben blickt eine ebenso bewegte Frau zurück: Anna Wawrzynski feierte in der vergangenen Woche ihren 100. Geburtstag. Und für ihr hohes Alter hat sie sich erstaunlich gut gehalten. So etwas erlebt man nicht alle Tage, weshalb ihr zu Ehren im Kreisaltenpflegezentrum am Vormittag ein großer Empfang organisiert wurde. Das Pflegepersonal sang der beliebten Dame mit "Hoch auf dem gelben Wagen" ein Ständchen und auch der Krankenhauspastor zückte seine Gitarre. Die ersten Gratulationen kamen nicht nur von den anwesenden Familienmitgliedern und den Mitbewohnern des Heimes. Auch Stadtoberhaupt Bernd Hellmann und Horst Sassenberg als Vertreter des Landkreises ließen es sich nicht nehmen, ihre Glückwünsche persönlich zu überbringen. "So viele liebe Menschen, die mich alle gern haben", sagte sie mit Tränen der Rührung in den Augen. Um dieses hohe Lebensalter zu erreichen, gibt es neben der Gesundheit scheinbar ein gutes Rezept: Optimismus. "Sie ist eine Frau, die nie den Mut verliert und nicht so schnell aufgibt", so die Beschreibung von Schwiegertochter Ingrid Wawrzynski. Ihre Kinder- und Schwiegerkinder leisteten ihr bereits während der offiziellen Feierstunde Gesellschaft. Den aufregenden Partymarathon setzten sie am Nachmittag mit rund 40 Personen im eigens gemieteten Schützenhaus fort. Dann auch mit den "Unmengen" der Enkel und Urenkel, über die sich Wawrzynski schon freuen darf. Die rüstige alte Dame war am 17. September 1909 unter dem Namen Anna Meyer in Schiffdorf bei Bremerhaven geboren worden. Zu dieser Zeit stand das Kaiserreich noch in voller Blüte und die deutschen Kaisermanöver gingen gerade zu Ende. Viele könnten sich das gar nicht mehr vorstellen, so Einrichtungsleiterin Anette Ebeling. "Ich schon", entgegnete die schick gekleidete Dame verschmitzt. An der Waterkant lernte sie ihren ersten Mann, den Fischereikapitän Ernst Schönbeck kennen und lieben. In den Wirren des Krieges schickte dieser sie schließlich nach Schaumburg zu ihrer Cousine nach Niedernwöhren. Während ihres Aufenthaltes wurde sie zur Witwe und musste ihr Leben vorerst allein mit ihren zwei Kindern meistern und brachte ihre Familie mit schwerer Feldarbeit durch. Später lernte sie ihren zweiten Mann Josef Wawrzynski kennen und heiratete mit ihm gleich fünf weitere Stiefkinder. Der gemeinsame, jüngste, Sohn Reinhold kam dazu, so dass das Geburtstagskind schließlich stolz darauf sein kann, acht Kinder großgezogen zu haben. Bis Anna Wawrzynski vor einigen Jahren in die Einrichtung der Kreisaltenpflege umzog, verbrachte sie den größten Teil ihres Lebens in Meerbeck. Bekannt war sie bei allen Bekannten und Freunden für ihre freundliche und bescheidene Art und ihren Familiensinn. Doch bei aller Arbeit im häuslichen Umfeld engagierte sie sich zudem jahrelang in sozialen Bereichen und der Vereinsarbeit im "Bund der Vertriebenen". Hier war Wawrzynski in verschiedenen Positionen tätig und bekleidete bis Ende der 70er Jahre ein Ehrenamt im Vorstand, organisierte Zusammenkünfte und nahm an den sogenannten "Schlesiertreffen" teil. "Sie hat sich auch sonst immer um Leute gekümmert, denen es schlechter ging, als ihr selbst", erinnert sich Sohn Reinhold. Mit dieser Einstellung wäre ihr auch die 110 zuzutrauen. Foto: nb
Kleines Ständchen: Heimleiterin Anette Ebeling und die Belegschaft gratulieren musikalisch.
Im Kreise ihrer Lieben: Kinder- und Schwiegerkinder feiern mit ihrer 100-jährigen Mutter Anna Wawrzynski (mi.) den Ehrentag.