STADTHAGEN (bb). Bei einer Veranstaltung im Stadthäger Ratskeller haben die vier heimischen Bundestagskandidaten Katja Keul (Grüne), Sebastian Edathy (SPD), Christopher Wuttke (CDU) und Heiner Schülke (FDP) zu Themen wie der Reform des Steuersystems und der Gestaltung des Arbeitsmarktes Stellung bezogen. Die Schaumburger und die Nienburger Geschäftsstelle der Industrie und Handelskammer hatten die Podiumsdiskussion organisiert.
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Die Moderatoren Martin Wrede, Geschäftsführer der IHK-Geschäftstelle Schaumburg, und sein Kollege aus Nienburg Leonhard Bebing brachten das Gespräch zunächst auf das Steuersystem und die Forderungen der IHK Hannover nach einer Korrektur der Unternehmenssteuerreform und einer Umgestaltung der Einkommenssteuer. Der amtierende Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hob hervor, dass die Wirtschaftskrise zu massiven Erhöhung der Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro führe. "Wenn man redlich ist, muss man sagen, dass in dieser Situation generelle Steuersenkungen nicht in die Landschaft passen", so Edathy. Befürworte man sie dennoch, müsse man auch zugeben, dass sich diese gegenwärtig nur durch Senkung der Sozialleistungen finanzieren lassen würden. Dazu sei die SPD nicht bereit. Es sei richtig, die mittleren Einkommen durch eine Korrektur der Einkommenssteuer zu entlasten, angesichts der schwierigen Finanzlage könne dies jedoch nicht kurzfristig angegangen werden.
Christopher Wuttke erklärte, dass die Unternehmenssteuerreform noch einmal auf den Prüfstand zu stellen sei und die Einkommenssteuer mittelstandsfreundlicher gestaltet werden müsse. Sicherlich könne man angesichts der Krise nicht kurzfristig große Entlastungen einräumen. Die im Parteiprogramm der CDU vorgesehenen Entlastungen seien jedoch mit Sicht auf die gesamte Legislaturperiode mit längerfristiger Perspektive formuliert. Sinnvoll seien auch Änderungen im Bereich der Mehrwertsteuer. Die Gastronomie würde von einem nach dem Vorbild im europäischen Ausland verringerten Satz profitieren und könnte so viele Arbeitsplätze schaffen oder erhalten. Katja Keul, Kandidatin der Grünen, erklärte, dass sie Steuersenkungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht finanzierbar halte. Es gelte jetzt in die Zukunft zu investieren, etwa mit mehr Ausgaben im Bildungsbereich oder im Klimaschutz. Schuldenfinanzierte Steuersenkungen würden künftigen Generationen schwere Belastungen aufbürden.
Der FDP-Kandidat Heiner Schülke argumentierte dagegen, dass sich Steuersenkungen in Teilen selbst finanzieren würden. Es gehe darum, mit steuerlichen Entlastungen einen Aufschwung einzuleiten, der über höheres Wirtschaftswachstum im Laufe der Zeit zu mehr Arbeitsplätzen und letztlich höherem Steueraufkommen führe. Insofern sie eine deutliche Entlastung von Bürgern und Unternehmen durch eine Senkung des Einkommenssteuerspitzensatzes und eine Vereinfachung auf ein dreistufiges Modell sehr sinnvoll.
Angesprochen auf die Arbeitsmarktpolitik lehnte Katja Keul eine weitere Flexibilisierung ab. Bereits heute sei der Kündigungsschutz praktisch ausgehebelt, die Leiharbeit sei vielfach missbraucht worden. Heiner Schülke warnte vor dem Instrument der Mindestlöhne. Diese würden Arbeitsplätze beseitigen, statt den Arbeitnehmern Vorteile zu bringen. Mit dem Bürgergeld biete die FDP ein unbürokratisches Modell zur Grundsicherung, das jedem durch staatliche Unterstützung ein Einkommen von 8000 Euro garantiere. Sebastian Edathy plädierte für einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Nicht zuletzt angesichts einer immer größeren Anzahl von Menschen, die ihr Gehalt mit ergänzender Sozialhilfe aufstocken müssten, sei dies zum Schutz der Arbeitnehmer nötig. Deutschland habe mit starken Wachstumszahlen vor der Krise bewiesen, dass der Arbeitsmarkt durchaus flexibel, das Land mit ihm international sehr konkurrenzfähig sei. Christopher Wuttke erteilte einer globalen Mindestlohnregelung eine Absage. In einzelnen Bereichen sei diese jedoch sinnvoll. Es gebe etwa Leiharbeitsverhältnisse zu Rahmenbedingungen, die nicht hinnehmbar seien. "Gegen Dumpinglöhne wollen wir vorgehen", so Wuttke.
Im Bereich der Verkehrsinfrastrukturpolitik forderte Katja Keul massive Investitionen in den Ausbau des Schienennetzes. So seien die Häfen besser an das Hinterland anzuschließen und die wichtigen Trassen zweigleisig auszubauen. Wuttke erklärte, Deutschland sei als Exportnation besonders auf ein funktionierendes Verkehrsnetz angewiesen.
Verstärkte Investitionen seien dringend nötig. Edathy berichtete, dass die Region Nienburg-Schaumburg vergleichsweise gut an die überregionalen Verkehrsströme angeschlossen sei. Mit dem Ausbau der B-65 würde sich die Lage noch verbessern. Der Ausbau Mittelweser biete mit einer Stärkung der Wasserwege echte Chancen. Heiner Schülke sagte, es sei dringend nötig, privates Kapital für den Ausbau der Infrastruktur zu gewinnen. Bei steigendem Verkehrsaufkommen seien Investitionen in diesem Bereich vernachlässigt worden.
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