STEINHUDE (sowi). Das Theater für Niedersachsen hat es sich nicht leicht gemacht und auch das Publikum hat es fast zweieinhalb Stunden nicht leicht gehabt; dennoch wurde es nicht nur durch schauspielerische Glanzleistungen, sondern auch durch die nicht benötigten Regenschirme belohnt. "Der geheime Garten" - ein Klassiker der englischen Jugendliteratur der Autorin Frances Hodgson - in Deutschland nahezu unbekannt, hatte rund vierhundert Besucher in das Scheunenviertel gelockt. Das vom Broadway überlieferte Musical hatte einige britische Skurrilitäten ausgespart, dafür aber eine Geistervariante passend hinzugefügt. Die Bühnenausstattung ist denkbar einfach und dennoch sehr lebendig: Die Darsteller bewegen sich durch labyrinthische, bewegte Kulissen und bieten somit ständige Standortwechsel der Handlung.
Im Mittelpunkt steht die junge Mary Lennox(überzeugend: die 12-jährige Rebecca Gundlach, die sich die Rolle mit zwei Mädchen teilt). Sie kommt aus einer sehr wohlhabenden Familie in Indien. Die Cholera hat ihr die Eltern und das ganze Umfeld genommen. Es ist ein Wunder, dass sie nicht betroffen wurde. Nun wird sie zu ihrem Onkel Archibald (Fredrik Wickerts) nach England auf dessen tristes Anwesen geschickt.
Archibald nimmt die Anwesenheit von Mary nur flüchtig zur Kenntnis. Er hat nach dem Tod seiner Frau Lily (Michaela Lick) seinen Lebensmut verloren. Sie hatte ihm seinen Sohn Colin (Jan-Niklas Falke) geboren, war dann durch einen Sturz ums Leben gekommen.
Colin wird vernachlässigt. Archibald verdrängt seine Existenz, ist ruhelos auf Reisen. Das kommt seinem Bruder, dem garstigen Dr. Craven (Jens Krause), ganz recht, denn er hat es auf das Haus seines Bruders abgesehen. Er behandelt auch Colin, der als krank eingesperrt wird und jedes Ansinnen, an die frische Luft zu kommen, als ein sicherer Weg in den Tod dargestellt wird.
Den Bediensteten Martha (Wiebke Wöltzel), als platt scnackendes handfestes Hausmädchen und der Naturbursche Dickon (Jens Plewinski) gelingt es, Mary aufzumunten und neuen Lebensmut zu vermitteln. Vehement lehnt sie es ab, in eine Schule zu gehen. Stattdessen wünscht sie sich von ihrem Onkel ein Stück Land, um einen Garten anzulegen und einen Ort zu finden "wo mein Herz nicht so laut klopft".
Gleichzeitig forscht sie nach dem allnächtlichen Weinen, was man ihr als Geisterstimmen auszureden versucht. Eines Abendes entdeckt sie den Jungen, ihren Cousin Colin, und auch der Zufall spielt ihr den Schlüssel zu dem Garten in die Hand, den einst ihre Tante Lily angelegt hatte und der nach ihrem Tod verschlossen wurde. Mit Dickons Hilfe schafft es Mary, dem Garten wieder zu neuer Blüte zu verhelfen.
Gleichzeitig kann sie Colin davon überzeugen, dass er garnicht krank ist und sie spürt, dass sie für seine Genesung gebraucht wird. Mit einem indischen Zauber weckt sie seine Lebensgeister, bis er zum ersten Mal in seinem Leben das Krankenbett verlassen kann. Dann schreibt Mary ihrem Onkel und berichtet ihm von der guten Entwicklung und bittet ihn von ganzem Herzen, heim zu kommen. Sie vertreibt mit ihrer Unschuld die Düsternis.
Archibald erkennt seine neuen Aufgabe und beginnt, seine verstorbene Frau loszulassen und sich wieder den Lebenden zuzuwenden. Noch einmal erscheint ihm seine Lily, der hintere Bühnenvorhang fällt und gibt den Blick auf den dahinter liegenden Wald, durch farbiges Licht illuminiert, frei. Lily wendet sich um und geht langsam auf die Bäume zu, während die Illumination erlischt und sie im Dunkel verschwindet.
Mary und Colin sind der neue Mittelpunkt einer Familie und Archibald weist seinen Bruder Dr. Craven an, wieder in die Wohnung nach Paris zu gehen und in der Stadt eine Praxis zu eröffnen.
Das Publikum feiert die Darsteller mit anhaltendem Applaus und genießt anschließend bei der Einkehr in die Weinscheune den Blick auf den weiterhin farbig illuminierten Wald. Foto: sowi