RODENBERG (al). Der Aufruf Rodenberger Kommunalpolitiker, sich in einem "Bürgerbündnis" gegen Rechsradikalismus und Extremismus zu wenden, hat einen ersten Erfolg erzielt. Rund 50 Zuhörer kamen zu einer Diskussionsveranstaltung in den "Ratskeller". Zwar waren es überwiegend Parteienvertreter aus der Deisterstadt selbst und dem übrigen Bereich der Samtgemeinde Rodenberg. Doch es hatten sich auch einige andere Interessierte eingefunden. Der Hamburger Soziologe Jürgen Prott und Regierungsdirektor Horst Lahmann aus dem Niedersächsischen Innenministerium informierten.
Als der Rodenberger Uwe Märtens, der die Verbindung zur Initiative "Bad Nenndorf ist bunt" hält, mit der Idee aufwartete, zu diesem Thema "Nachbarschaftshilfe" zu leisten, stieß er prompt auf offene Ohren. "Keine zwei Minuten" habe es nach Angaben von Hans-Dieter Brand (SPD) gedauert, bis sich die im Stadtrat vertretenden Parteien über eine gemeinsame Vorgehensweise geeinigt hätten: Den Aufruf unterschrieben neben Brand auch Ignaz Stegmiller für die FDP, Carsten Schulz für die CDU und Ralf Sassmann für die Wählergemeinschaft Rodenberg.
Vor Journalisten wie auch zum Auftakt des Diskussionsabends begründete Brand die hiesige Initiative. "Wir wollen uns nicht nach der Bundestagswahl verwundert die Augen über ein hohes Abschneiden der Rechtsextremen reiben" betonte er. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt sich zu informieren: vor der Wahl und auch vor dem nächsten angekündigten Neonazi-Aufmarsch am 1. August am Nenndorfer Wincklerbad. Er forderte zu einem "Schulterschluss" mit der Kurstadt auf. Es stelle sich nicht die Frage, ob nur der Stadtdirektor in einer Gegenbewegung der Demokraten vorangehe: "Das müssen wir alle tun." Ausdrücklich begrüßte er die Initiative des VfL Bad Nenndorf: "Da müssen noch viel mehr Vereine und Verbände folgen."
Carsten Schulz (CDU) verband ähnliche Hoffnungen mit dem Aufruf, den Stadt- und Samtgemeinderat mit Resolutionen unterstützen wollen: "Wir müssen ein Auge darauf haben, was in Bad Nenndorf passiert." Ralf Sassmann (WGR) sah die Nähe noch konkreter: Die Hälfte der Rodenberger Schüler besuchen das Gymnasium Bad Nenndorf. Initiator Uwe Märtens verwies auf die Bevölkerungsstruktur der Kurmetropole: "Leider gibt es dort bisher eine zu moderate Zurückhaltung." Sie dürfte nicht angebracht sein: Die Organisatoren des Neonazi-Aufmarschs haben die jährliche Wiederholung bereits bis 2030 angemeldet.
Der Hamburger Soziologie-Professor Jürgen Prott begrüßte die Rodenberger Aktion als "nachahmenswerte Initiative": "Leider fehlt in manchen Gemeinden diese Sensibilität." Doch dürfe sich niemand einen "Dornröschenschlaf" erlauben oder sich durch ein "Klima der Einschüchterung" abhalten lassen. Er appellierte vor den Zuhörern zur "Wachsamkeit": Nur eine beharrliche Aufklärung sei ein wirksames Gegenmittel bei rechtsradikalem Tun.
Horst Lahmann, der für das Innenministerium ebenfalls den gemeinsamen Aufruf der Rodenberger Parteien begrüßte, erklärte zunächst, dass die Mitgliederzahlen in den rechtsextremen Parteien kontinuierlich zurückgingen, bestätigte aber eine wachsende Gewaltbereitschaft. Steigende Tendenz sei zudem bei den "neonazistischen Kameradschaften" zu beobachten. Diese würden sich systematisch an junge Menschen wenden.
Prott hatte zuvor seine Sorge formuliert, die gegenwärtige Wirtschaftskrise und ihre Folgen könnten radikalen Parteien neuen Zulauf bescheren. Hinzu komme eine "jahrzehntelange Bildungskatastrophe". Für ihn sei es nur eine "Spitze des Eisbergs", wenn sich 15 Prozent der Bevölkerung "einen Führer anstelle des ständigen Parteiengeschwätzes" wünschen: "Es geht uns alle etwas an, wenn Leute unsere Demokratie aus den Angeln heben wollen."
Die Aussagen führten zu einer lebhaften Diskussion unter den Anwesenden. Am Ende der Veranstaltung stand ein erneuter Appell: Auch Rodenberger sollten die Initiative "Bad Nenndorf ist bunt" unterstützen und zahlreich gegen den Aufmarsch der Neonazis demonstrieren. Brand wie auch Prott hatten zuvor Beispiele engagierter Zivilcourage geschildert. In Köln hatten Initiativen Taxiunternehmen und Gastronomen gewinnen können: Bei einer vorgesehenen Tagung von Rechtsextremen gab es weder Fahrten noch Bier. Foto: al