1. "Einheit in aller fröhlichen Vielfalt: Das ist bis heute typisch evangelisch"

    Bibel, Beten, Bildung und Bekenntnis: "Abendgespräch" mit Dr. Margot Käßmann

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    RINTELN (km). Rund 200 Zuhörer konnte Superintendent Andreas Kühne-Glaser jetzt zu einem "Rintelner Abendgespräch" mit Dr. Margot Käßmann begrüßen. "Bibel, Beten, Bildung und Bekenntnis", so lauteten die vier Stichworte, über die die Landesbischöfin reflektierte - durchweg mit dem Reformator Martin Luther im thematischen Hintergrund.

    Große Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus - und so steht bereits jetzt ein besonderes Jubiläum im Blickpunkt, das erst in acht Jahren gefeiert werden soll: Luthers Thesenanschlag, der im Jahr 1517 in Wittenberg stattfand. Auch der Staat, so die Bischöfin, habe das Gewicht der Reformation inzwischen wahrgenommen.

    Superintendent Andreas Kühne-Glaser begrüßt die Landesbischöfin bereits vor der Nikolai-Kirche.

    So sei in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Tourismus im Deutschen Bundestag vergangenes Jahr auf die immense kulturelle, religiöse als auch gesellschaftliche Bedeutung von nationaler und internationaler Tragweite der Reformation hingewiesen worden. Die Reformation sei Voraussetzung für die Entwicklung eines neuen, aufgeklärten Weltbildes gewesen.

    Sogar in der DDR gab es vor rund 25 Jahren einen Paradigmen-Wechsel: Ab 1983, erinnerte Margot Käßmann, "gab es eine Art competition um das Luthererbe in Ost und West: In der DDR war Luther nun nicht mehr Fürstenknecht sondern Vertreter der frühbürgerlichen Revolution." -

    Bei ihren Ausführungen zum Thema des Abends wies Dr. Margot Käßmann zunächst auf die Bibel als "zentralen Bezugspunkt der Reformation" hin - und fast unerschöpflichen Fundus neuer Erkenntnisse. "Ich bin überzeugt," so die Bischöfin, "dass sich dieses Buch der Bücher wahrhaftig niemals ausliest. Zum einen entdecke ich immer wieder Passagen, bei denen ich überzeugt bin: Das hast du noch nie wahrgenommen!" Zum anderen sei ein Text der Bibel nie ein für allemal im Leben derselbe, weil er in jeder Zeit neu refllektiert werden müsse. Ereignisse wie der elfte September 2001, der Tsunami 2004 oder der Amoklauf von Winnenden beeinflussten Predigende wie Predigthörende.

    Beim Stichwort "Beten" wies Dr. Margot Käßmann zunächst auf die "neue Spiritualität" hin, "die wir in den vergangenen Jahren entdeckt haben. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Bremen habe sich eine neue Sehnsucht offenbart, "den Glauben mit allen Sinnen zu erleben". Auch wenn es eingedenk der "neuen Begeisterung" für Spiritualität auch kritische Fragen gebe: "Ist das nicht katholisch oder vor-reformatorisch? Dürfen Protestanten meditieren? Ist da nicht Esoterik drin? Wo bleiben Vernunft und Aufklärung? Wollen die Katholiken wieder zur Mystik tendieren?"

    Die Landesbischöfin konnte das Fragengeflecht schließlich ganz einfach entwirren: Als "Herzstück christlicher Spiritualität" gelte schlicht das Beten. Und das sei wohl auch der einfachste

    Zugang zu Spiritualität, da bedürfe es keiner langwierigen Unterweisung: "Es betet sich sozusagen von selbst, und das sollten wir auch nicht verkomplizieren.

    Gebet brauche allerdigs auch eine gewisse Disziplin: "Eben mal beten, dass dies oder das eintreten möge, das degradiert Gott zu einem Automaten, in den ich eine Münze werfe und erwarte, dass etwas herauskommt." -

    Auch beim Thema Bildung konnte Martin Luther als perfekter Impulsgeber frequentiert werden. Die Voraussetzung für einen mündigen Glauben sei für Luther gewesen, "dass jeder selbst die Bibel lesen konnte und so gebildet war, dass er den Kleinen Katechismus, das Bekenntnis für den alltäglichen Gebrauch, nicht nur auswendig kannte, sondern auch weitergeben konnte." Luther seien dann auch die Volksschulen als "Schulen für alle" in Deutschland zu verdanken.

    "Ich bin froh," stellte Margot Käßmann heraus, "dass in unserer Landeskirche in den vergangenen Jahren Bildung zu einem wesentlichen Thema geworden ist und dabei sowohl das

    Engagement für die öffentliche Bildung als auch für die Bildung in evangelischen Kindertagesstätten, Schulen, in der Kinder- und Jugendarbeit verstärkt wurde. In Zukuft müsse indessen noch stärker auf den Religionsunterricht geachtet werden; denn: "Religiöse Bildung ist ein notwendiger Teil von Allgemeinbildung."

    Beim Schwerpunkt "Bekenntnis" nannte die Bischöfin zu allererst das "Apostolikum", das seit Jahrtausenden "als Zusammenfassung all unseres Glaubens gesprochen" werde. Als lutherischer Christ denke man aber natürlich vor allem auch an die "Confessio Augustana" oder das "Augsburger Bekenntnis". Zahlreiche "Verbesserungs-Vorschläge" in Sachen Bekenntnis befand Margot Käßmann als nicht besonders hilfreich. Allerdings "wäre es wichtig, auf dem Weg zum Reformationsjubiläum, neu zu reflektieren, was uns das Bekenntnis bedeutet. In dem Zusammenhang sprach sich die evangelische Theologin abermals für den ökumenischen Gedanken aus: "Wir brauchen keine gleichförmigen Zeremonien, sondern vom Grundsatz des Evangeliums her Einheit in aller fröhlichen Vielfalt - das ist bis heute typisch evangelisch."

    Der "fröhliche" Aspekt nahm schließlich auch besonderen Raum in einer Nachbemerkung ein, in der es um die Sehnsucht nach der frohen Botschaft des Evangeliums ging.

    Margot Käßmann äußerte in dem Kontext einen "Aufruf zur Gelassenheit". Luther habe einmal gesagt, das Evangelium könne nur mit Humor gepredigt werden, und das, so die Landesbischöfin, "hat mir schon immer gut gefallen."

    Foto: km

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