1. An der "Front" tobt ein Dosenkrieg der besonderen Art Sammler wollen an das "Geld der kleinen Leute" / Wer ist Gut oder Böse im Dickicht der Hilfsvereine? / Rintelner Hospizverein stößt auf Sammlungen

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    LANDKREIS (ste). "Freunde sind wie Laternen auf einem langen, dunklen Weg. Sie machen ihn nicht kürzer, aber ein wenig heller!" Mit diesen Worten bedankt sich der Verein "Deutsches Kinderhospiz Förderwerk e.V." aus Bielefeld auf seinen Sammeldosen in Rinteln für die freundlichen Spenden. Spenden, die laut Aussage von Ulrich Gehrke, dem Vorsitzenden des Vereins, bei den Kindern ankommen sollen, die laut Satzung die Begünstigten der Spenden sind. Das sind insbesondere Kinder mit lebensverkürzenden Erkrankungen. In welchen Einrichtungen diese Kinder unterstützt werden sollen, schildert Gehrke allerdings nicht.

    In Rinteln standen Spendenbüchsen des Vereins unter anderem in der Fleischerei Rauch und im Blumengeschäft "Deichmann" in Krankenhagen. Dabei war Veit Rauch der erklärten Meinung, dass der "Rintelner Hospizverein" die Sammlungen durchführt. Jetzt, so Rauch, ist die Dose "...vom Tisch" und wenn sie vom Verein abgeholt wird, dann will Rauch das eingesammelte Geld nachvollziehbar auf das Vereinskonto überweisen: "Dann bin ich mir sicher, dass nichts schief läuft!"

    Hans-Joachim Schumer vom Rintelner Hospizverein erklärte die Angelegenheit zur eigenen Sache und recherchierte. Dabei stieß er auf Ungereimtheiten und sah sich mit unschönen Aussagen des Vereinsvorsitzenden vom "Deutschen Kinderhospiz Förderwerk e.V." konfrontiert.

    Der Bürokaufmann Ulrich Gehrke gründete den Verein "Deutsches Kinderhospiz Förderwerk e.V." im September 2008 in Bielefeld unter der Registernummer 4015. Vor dieser Zeit soll Gehrke in Neubrandenburg im Verein "Krebshilfe für Kinder" tätig gewesen sein. Dort erinnert man sich auf Nachfrage des Schaumburger Wochenblattes nur ungern an den ehemaligen Mitstreiter. Enrico Kautz, Vorsitzender des Neubrandenburger Vereins, will seinen Verein mit dem Namen Gehrke nicht mehr in Verbindung gebracht wissen. Informationen sind von ihm nur schwer zu bekommen: "Wir haben uns Anfang 2008 von Herrn Gehrke getrennt und es gab Schwierigkeiten, die in juristischen Prozessen endeten", so Kautz, der einen zivilrechtlichen Streit ohne strafrechtlich nachweisbaren Sachverhalt gegen Gehrke im Namen des Vereins führte. Mehr, so Kautz, wolle er nicht mehr über die Angelegenheit verlauten lassen, denn die Presseberichterstattung 2008 habe auch seinem Verein geschadet.

    Nun ließ auch Hans-Joachim Schumer nicht mehr locker. Er griff erneut zum Telefon und meldete sich bei Gehrke in Bielefeld persönlich, allerdings mit verändertem Namen: "Ich wollte nicht, dass er denkt, der Rintelner Hospizverein fürchte Konkurrenzsammlungen!" Auf Nachfragen bezüglich der Sammeldosen reagierte Gehrke gegenüber Schumer mit Unverständnis und nach der Frage, was mit den gesammelten Geldern bislang finanziert worden sei, gab es noch keine konkreten Projektauskünfte, dafür jedoch die Aussage Gehrkes gegenüber Schumer: "Das geht sie gar nichts an!"

    "Der Förderverein ist erst noch im Aufbau", hieß es von Ulrich Gehrke auf telefonische Nachfrage auch gegenüber dem Schaumburger Wochenblatt; allerdings im Sprachgebrauch wesentlich moderater. Nicht jedoch, ohne auf rechtliche Konsequenzen hinzudeuten, die bei einer Verunglimpfung seines Vereins den Schreiber dieser Zeilen erwarten würden. Wo die Spenden eingesetzt werden, dazu konnte er jedoch noch keine Projekte nennen. Gehrke versicherte, dass die Sicherheit, dass alle gesammelten Gelder auch wirklich auf dem Spendenkonto landen, durch ein Vier-Augen-Prinzip bei der Öffnung der Dosen durch den Vorstand des Vereins gewährleistet sei. Rund 7.000 Euro, so Gehrke, seien seit September 2008 in den 400 ausgeteilten Spendendosen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gesammelt worden und das Geld wurde nach seinen Aussagen auf das Spendenkonto eingezahlt. Teilt man nun die 7.000 Euro durch die 400 Sammeldosen und dann noch einmal durch die Anzahl der Sammeltage (von Oktober bis Mai; rund 200 Tage), dann ergibt sich eine Spendenfreudigkeit von rund 9 Cent pro Dose und Tag! Die Spenden warten nun auf den "guten Zweck", für den sie ausgegeben werden können. Dabei sei die Art und Weise der Sammlung nicht zu beanstanden, so Gehrke, der unter anderem auch auf die genauso durchgeführten Sammlungen der "Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger" und anderer Organisationen hinwies. Eine andere Sammelpraxis als die Dosensammlung sei bei dem erwünschten "Geld der kleinen Leute" nicht möglich. Die Bücher des siebenköpfigen Vereins würden von einem Steuerberater und einem Wirtschaftsprüfer geprüft und die Gemeinnützigkeit sei anerkannt. Übrigens; genau sieben Mitglieder braucht es, um überhaupt einen Verein gründen zu können.

    Nach Wegfall des Spendengesetzes darf jeder im Namen des "Guten Zwecks" Sammlungen durchführen und muss lediglich versichern, dass das Geld auch dem auf den Dosen ausgewiesenen Zweck zur Verfügung gestellt wird. Eine wirksame Kontrolle dafür gibt es nicht.

    Mit diesen Informationen versorgt ließ Hans-Joachim Schumer nicht mehr locker. Er nahm Kontakt auf zum Deutschen Kinderhospiz Verein in Minden und dort hatte man bereits eine Pressemeldung herausgegeben, die vor "...unseriösen Spendensammlungen" warnte. Dabei, darauf legt Schumer Wert, wird nicht der Verein "Deutsches Kinderhospiz Förderwerk e.V." als unseriös angeprangert, sondern die Sammelmethode mit den Sammelbüchsen schlechthin kritisch bewertet. "Wer sagt denn, dass auch wirklich alles Geld aus den Sammeldosen auf das Spendenkonto eingezahlt wird", zweifelt Schumer solche Sammlungen an. Besser wäre es, wenn in den Geschäften, in denen die Dosen aufgestellt werden, das Geld im Vier-Augen-Prinzip nachgezählt würde und dann ein Nachweis für die Einzahlung auf das Spendenkonto erfolgte.

    Eine kritische Berichterstattung zu Dosensammlungen gab es bereits im Mai 2007 in der Neuen Westfälischen Zeitung, die unter anderem in Bielefeld, dem Sitz der beiden Vereine "Hilfe für krebskranke Kinder e.V." und "Deutsches Kinderhospiz Förderwerk e.V.", als Tageszeitung präsent ist. Die titelte damals "Dosenkrieg mit fragwürdigen Zielen" und bezog sich auf die Sammelmethoden des Vereins "Hilfe für krebskranke Kinder". Mit dessen Vorsitzenden André Siebrasse sprach das Schaumburger Wochenblatt über die Frage der Seriösität solcher Sammelmethoden und stieß dabei auf eine Verbindung Siebrasses zu Ulrich Gehrke. Man kenne sich, so Siebrasse. Sein Sohn, der an der "Front" (Anm. der Red.: "Dosenfront") arbeite, habe schon einmal den vagen Verdacht gehabt, dass durch Gehrkes Verein möglicherweise fremde Dosen und hier insbesondere die des Vereins "Hilfe für krebskranke Kinder" eingesammelt wurden. Da man dies jedoch nicht beweisen konnte, wurde keine Strafanzeige erstattet und man könne dies somit auch nicht behaupten. Weiter, so Siebrasse, wolle er gegenüber Zeitungen jedoch nichts sagen: "Die schreiben ohnehin nur Scheiße über uns!" Wie das SW empfindet eine überaus vertrauenswürdige Aussage eines Vereinsvorsitzenden, der Spendengelder für den guten Zweck sammelt!

    In Zusammenhang mit den Rintelner Spendendosen erscheint es Hans-Joachim Schumer als auch Elisabeth Glücks vom Ambulanten Kinderhospizdienst Minden-Lübbecke merkwürdig, dass es keine Internet-Präsenz des "Deutschen Kinderhospiz Förderwerk e.V." gibt und die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins bislang gleich Null zu sein scheint. "Da kann sich niemand darüber informieren, wohin das Geld eigentlich gehen soll, dass man in die Büchse wirft!"

    Schumer gibt allen Spendern, die ihr Geld nachvollziehbar in die richtigen Kanäle geleitet sehen wollen, den Rat, das Geld an einen eingetragenen Verein mit Steuernummer auf ein Spendenkonto zu überweisen, wie beispielsweise auf das Konto des Hospizverein Rinteln, Konto 517903902 bei der Sparkasse in Schaumburg.

    Rechtlich nicht zu beanstanden

    Rechtlich ist das Dosensammelverfahren des Vereins "Deutsches Kinderhospiz Förderwerk e.V." nicht zu beanstanden. Alles bewegt sich - sofern die Angaben des Vereinsvorsitzenden bezüglich des Vier-Augen-Prinzips bei Dosenöffnung auch tatsächlich so praktiziert werden - im Rahmen des geltenden Rechts.

    In Rinteln haben die beiden bekannten Geschäfte Rauch und Deichmann dennoch die Sammeldosen vom Tresen genommen. Rauch: "Das Verfahren ist mit nicht transparent genug!"

    Wie die Neue Westfälische allerdings im November 2008 berichtete, hat die Staatsanwaltschaft Kassel (Anm. der Red.: Im November 2008) auf Betreiben der osthessischen Polizei einen Ermittlungsverfahren gegen den (...) Bielefelder Verein "Hilfe für krebskranke Kinder" eröffnet. Es geht um den Verdacht des Spendenbetrugs. Der Verein hatte Spendenbüchsen in Kasseler Geschäften aufgestellt. 50 Büchsen wurden von den Beamten eingesammelt. Der Ausgang des Verfahrens ist allerdings nicht bekannt. Foto: ste

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