STADTHAGEN (mr). Auf Einladung der Frauenunion haben sich in der "alten polizei" viele Frauen und einige Männer aus dem Landkreis zusammengefunden, um die Referenten Ingetraud Wehking, Mitarbeiterin der Mädchen- und Frauenberatungsstelle Basta und Selvi Arslan-Dolma, Rechtsanwältin, zum Thema "Häusliche Gewalt" zu hören. Im Anschluss an die bewegenden und eindrücklichen Erzählungen überreichte die Vorsitzende des Kreisverbandes der Frauenunion, Waltraut Bauer, der Basta Vertreterin einen Scheck über 250 Euro.
"Es gibt viele Formen von Gewalt – und es gibt nicht nur die blauen Augen die weh tun", umschrieb Wehking die verschiedenen Gründe, warum Frauen die Beratungsstelle persönlich und telefonisch kontaktieren. Von 454 Treffen im letzten Jahr handelte es sich bei 226 Fällen um sexualisierte Gewalt. 114 sorgten sich um Kinder in Familien, in denen der Mann psychische oder/und physische Gewalt ausübt. 27 Gespräche drehten sich um Essstörungen – und die damit verbundenen Ursachen. In 24 Beratungen ging es um Trennung und Scheidung. 54 Frauen und Mädchen nahmen Kontakt auf wegen Ängste und Depressionen. Eine ähnliche Verteilung ergebe sich bei den 802 telefonischen Kontakten im letzten Jahr, gab Wehking Zahlen an.
Erschreckend sei, dass die Gewalt in "Teenie-Beziehungen" zunehme. Sexuelle Übergriffe fänden bereits zwischen Kindern im Kindergartenalter statt. Gründe dafür sah Wehking darin, dass die Trennung zwischen der Erwachsenen- und Kinderwelt nicht mehr gegeben sei.
Neue Aufgaben, neue Anforderungen – Wehking dankte der Politik, dass diese (Landkreis und Stadt Stadthagen) einer Erhöhung der Mittel um 37 000 Euro zugestimmt hat.
Damit werden wir auf jeden Fall mehr arbeiten können."
Wehking zitierte Aussagen der Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Jahr 1994, die sie gegenüber einer regionalen Zeitung gemacht hatte.
Merkel forderte damals "ein dichteres Hilfsnetz für missbrauchte Kinder", denn "Unterstützung und Beratung für die Opfer ist das Wichtigste". Wehking wünschte sich, dass "Beratungsstellen Pflicht werden und nicht freiwillige Leistungen" und dass alle "ein offenes Ohr für Menschen" hätten, "die Gewalt erlebt haben".
Arslan-Dolma ergänzte die Wunschliste. Es gebe noch keinen Straftatbestand, wenn Kinder zuschauen müssen, wie der Vater ihre Mutter schlägt. Hier müsse eingegriffen werden.
Christopher Wuttke, Bundestagskandidat, versprach, die Bundeskanzlerin an ihre Aussagen zu erinnern und ihr die Wünsche zu übermitteln.
Betretende und nachdenkliche Stimmung am Ende der zwei Vorträge. Die Frauen stellten – teils sehr konkrete und persönliche – Fragen. Die Überreichung des Schecks erleichterte ein wenig die schwere Kost.
Viele Frauen nahmen Visitenkarten der Basta mit, um sie im Falle des Falles aushändigen zu können.
Jeder in seine Gedanken vertieft, ging nach Hause.
Foto: mr