STADTHAGEN (mr). Die Meinung ist eindeutig. Die bisherigen Konjunkturpakete des Bundes reichen den Gewerkschaften nicht aus. Auf der Maikundgebung der IG Metall am vergangenen Freitag bezog Dierk Hirschel, Chefvolkswirt des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), deutlich Stellung.
Bald werde die Krise "mit voller Wucht" den Arbeitsmarkt treffen, leitete Hirschel in die Thematik ein. Die Arbeitnehmer trügen die Hauptlasten der Krise. Kurzarbeit, "Hartz IV-Armutskeller" – "wir sollen heute für eine Krise zahlen, die wir nicht verursacht haben." Hirschel machte deutlich, dass es sich um "keine gewöhnliche Krise" handele. Vielmehr habe sich eine "Systemkrise" gebildet, deren Entstehung er mit Kasino und Glücksspiel verglich, in denen Konzerne und Banker Geld und Taktik investiert hätten. Gleichzeitig gab Hirschel der Politik Mitschuld: "Der entfesselte Finanzkapitalismus" sei nicht vom Himmel gefallen, "die Politik hat kräftig nach geholfen". Für die Lohnschwächen in den letzten Jahren beispielsweise sei die Politik mit verantwortlich. Deutlich kritisierte Hirschel: "Für die Banken wird der Rettungsschirm aufgespannt, für den Arbeitsmarktschutz gibt es lediglich einen Knirps." Hirschel forderte unter anderem: Nothilfe dürfe es nur für Gegenleistungen geben. Der Staat müsse die Nachfragelücke in Zeiten der "Absatzkrise" schließen. Der DGB fordere ein 100 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm, das unter anderem Hartz IV erhöhe, die Ausgabe von Konsumschecks ermögliche und in Bildung investiere.
Zusätzlich forderte Hirschel stärkere Regulierungen und Kontrollen der Finanzmärkte. "Der Kapitalismus muss zukünftig sozial und ökonomisch gebändigt werden." Gleichzeitig gelte es, die Verteilungsfrage zu überdenken, Stichwort Mindestlöhne, in der Steuerpolitik einen Kurswechsel einzuleiten, Stichwort Vermögensteuer sowie die Daseinsfürsorge zu stärken, Stichwort Ausbau sozialer Dienstleistungen. Abschließend verdeutlichte Hirschel: "Diese Krise kann für die Gewerkschaften eine Chance sein, es hängt von uns ab, ob wir sie nutzen." In der anschließenden Gesprächsrunde, stellten Mira Wehmeyer vom Personalrat des Kreiskrankenhauses Stadthagen, Gabriele Walz vom Gesamtpersonalrat des Landkreises, Jürgen Bittner, Vorsitzender der Vertrauensleute der Firma Faurecia und Ralf Meier, Betriebsratsvorsitzender bei den Fränkischen Rohrwerken, kurz die Entwicklung ihrer Unternehmen dar.
Walz wünschte sich Gerechtigkeit in den Löhnen, Wehmeyer erinnerte, dass "eine Krankenschwester nicht nur gegen den Verlust ihres Arbeitsplatzes kämpft sondern immer um einen Patienten, der Pflege einfordert und braucht". Bittner forderte mehr Qualifizierungsmöglichkeiten in den Betrieben und eine Chance für junge Menschen, in dem den Älteren ein sozialpolitischer Ausstieg ermöglicht werde.
Viele junge Gäste des im Anschluss folgenden Familienfestes und der Rockveranstaltung verstanden noch nicht, was die Erwachsenen sich wünschten und forderten. Sie spielten Fußball und tollten herum, während die Erwachsenen sich kulinarisch stärkten, austauschten und ihre Meinung mitteilten.
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