RINTELN (ste). Nachdem die Stadt Rinteln seit Jahren um die Frage der Ausweisung von Vorrangflächen für Windenergie entweder einen großen Bogen machte, oder sich politisch für ein Gebiet entschied, dass nach einfacher Sichtprüfung bereits eines der bedeutendsten Vogelrückzugsgebiete der Stadt (an der Ellerburg!) ist, befasste sich der Bauausschuss unter großer Zuhörerbeteiligung jetzt wieder mit diesen Thema. Die Frage, die sich bei der Ausweisung eines Vorranggebietes stellt, ist einfach: Entweder die Politik entscheidet sich klar und deutlich für ein Vorranggebiet, oder man wartet die Einzelanträge in verschiedenen Bereichen der Stadt ab (wie etwa Goldbeck, Wennenkamp, Westendorf) und entscheidet dann immer im Einzelfall. Letzteres würde bei der privilegierten Behandlung von Windenergie-Bauvorhaben zu einer sogenannten "Verspargelung" der Landschaft führen können, wenn nicht genügend Argumente gegen eine Anlage an einem gewünschten Standort angeführt werden können. Um der Politik eine Entscheidung für ein Vorranggebiet zu erleichtern, wurde bereits 2004 ein Gutachten vom Büro Luckwald erstellt, das sich für eine 28 Hektar große Fläche im Bereich Westendorf-Deckbergen als Vorrangfläche aussprach. Dagegen wandte sich damals eine breite politische Front, so dass dieses Gebiet quasi ausgegrenzt wurde und daraufhin die Ellerburg gewählt wurde. Damit fiel die Stadt beim Oberverwaltungsgericht jedoch kräftig auf die Nase.
Jetzt steht man wieder am Anfang und die Diskussion im Bauausschuss zeigte, wie schwer man sich mit dieser Frage tut.
Klar positionierte sich Klaus Wißmann von der SPD mit einem "Ja" zu einem Vorranggebiet: "Und zwar ohne Wenn und Aber!" Sollte die Verwaltung ein Gebiet vorschlagen, werde die SPD nach Prüfung dem zustimmen. Ebenso klar stimmte Nina Weißer für eine solche städtebauliche Lenkungsmaßnahme. Sie verwies jedoch auf das bereits bestehende Gutachten und wollte kein Geld für ein neues in die Hand nehmen: "Es gibt keine neuen Rahmenbedingungen, die ein neues Gutachten nötig machen!" Sie forderte den Bauausschuss in einer von ihr bislang nicht gekannten Deutlichkeit dazu auf: "Haben Sie einen A... in der Hose und zeigen Sie ihren Wählern, wo sie stehen!" Bei dem für sie "antiquierten" Wunsch, Windenergie komplett aus dem Wesertal herauszuhalten, bekommt sie vor Wut einen roten Kopf.
Diese Möglichkeit stellte nämlich Gert Armin Neuhäuser von der WGS vor. Er wollte seine Zustimmung für die Ausweisung von Vorrangflächen geben, diese sah er für Rinteln jedoch noch nicht: "Das Ergebnis eines Gutachtens könnte auch heißen: Rinteln ist aufgrund seiner besonderen Gegebenheiten nicht für Windnergieanlagen geeignet!" Unter diesen Voraussetzungen wären Windkraftanlagen in Rinteln nicht genehmigungsfähig. Er beantragte, den Landkreis zur Suche nach geschützten Tierarten nach der "Roten Liste" auf dem Stadtgebiet Rinteln aufzufordern; der Bauausschuss stimmte zu.
Für Rintelns Ersten Stadtrat Jörg Schröder war die Diskussion um die Frage "Ist Rinteln überhaupt für Windenergie geeignet" eher gefährlich. Wenn der Landkreis nicht erkenne, dass Rinteln ernsthaft ein Vorranggebiet ausweisen wolle, könnten Einzelanträge möglicherweise nicht bis maximal ein Jahr zurückgestellt werden. Und diese Einzelanträge gibt es bereits für Goldbeck und Wennenkamp. "Wenn nicht der politische Wille zum JA für ein Vorranggebiet da ist, egal wo der Gutachter es auch sieht, dann sollten wir uns das Geld und die Arbeit dafür ersparen", so Schröder ungewohnt deutlich.
Der Bauausschuss entschied sich dann einstimmig für die Ausweisung einer Vorrangfläche und nun muss der Rat darüber entscheiden, ob es denn noch ein weiteres und teures Gutachten geben soll, oder man sich auf die Erkenntnisse aus dem Luckwald-Gutachten 2004 bezieht. Dann allerdings würde wohl Deckbergen-Westendorf als Vorranggebiet feststehen.
Übrigens: Im Zuschauerraum saß auch einer der möglichen Investoren für Windenergieanlagen und er verließ sichtlich gut gelaunt die Bauausschusssitzung. Zwei Möglichkeiten gibt es dafür: Zum einen sieht er seine Chancen für eine konzentrierte Genehmigung von Anlagen in Deckbergen-Westendorf steigen, alternativ könnte aber auch die Genehmigung von Einzelanlagen, verteilt über das Stadtgebiet Rinteln steigen, wenn nachweisbar wäre, dass die Politik wieder einmal einer rechtlich nicht haltbaren Verhinderungsplanung nachläuft.
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