HANNOVER (ro). Zuversicht und Erlebnishunger spiegelten die Gesichtern der Fans. Das herrliche Osterwetter heizte die Hoffnung auf einen erneuten Heimsieg perfekt an. In Biergärten und Straßencafes trafen sich sichtbar bekennende Anhägner schon Stunden vor dem Anpfiff. Kaum im Stadion aber drohte alles in ein Gewitter zu münden. Bereits nach 43 Sekunden hatte Torjäger Andrey Voronin von Hertha BSC den Führungstreffer auf dem Fuß. Zum Glück entlud sich diese Gewitterwolke nicht. Trainer Dieter Hecking fand diese Schrecksekunde "gar nicht so schlecht”. Es folgten 90 konzentrierte Minuten seiner Mannschaft. Ein verdienter 2:0 Erfolg erfreute die Fans der Roten unter den 47 187 Zuschauer in der AWD-Arena.
Im Bundesligamagazin "Stammplatz" hatte 96-Chef Martin Kind diesen Erfolg auch unmissverständlich eingefordert: "Dieses Spiel muss gewonnen werden, damit wir nicht in eine noch schwierigere Situation geraten.” Später äußerte Hecking dazu: "Das Team hat gezeigt, dass es unbedingt will - diesen Sieg haben wir selbst von uns eingefordert.” Im Endergebnis des Wochenendes häuften die Roten einen Schutzwall von sechs Punkten zum Relegationsplatz auf.
Nachdem Keeper Robert Enke den ersten Ball aus der Schrecksekunde an die Latte gelenkt hatte, flatterte bei den Roten nur noch wenig. 96 versuchte die Kontrolle über die Partie zu gewinnen. Doch die immer wieder auf Konter lauernde Hertha wirkte gefährlicher. In der 29. Minute jedoch nickte Mike Hanke eine schöne Flanke von Konstantin Rausch überlegt ins lange Eck.
In der lebendigen Partie blieb der sehr bewegliche Voronin ein ständiger Unruheherd. So musste einmal Christian Schulz sogar auf der Linie klären und kurz vor der Pause rollte ein Flachschuss aus 20 Metern nur ganz knapp am Pfosten vorbei. Insgesamt betrachtet fehlte Hertha das Flair einer Spitzenmannschaft. Spielerische Vorteile resultierten nur aus Fehlern der Roten. Durchdachte Aufbausituationen waren Mangelware.
Die Gäste agieren eher aus einer Lauerstellung heraus.
Wie angestachelt kehrten die Roten aus der Kabine zurück. Es gab mehrere Chancen auf den Führungsausbau. Mit zunehmender Spielzeit übernahm die Hertha wieder das Kommando. Erfolgsversprechende Ansätze führten aber nicht zum Erfolg, es fehlte an der letzten Konsequenz. Diese zeigten die Roten. Pinto eroberte vor dem eigenen Sechzehner den Ball und überbrückte schnell das Mittelfeld. Der angespielte Hanke bugsierte das Leder in den Strafraum, Pinto verpasste den Rückpass knapp. Dafür rutschte Arnold Bruggink heran und trudelte den Ball aus kurzer Distanz ins Netz zum 2:0 (62.). Hertha-Coach Lucien Favre brachte direkt nach dem Treffer frische Kräfte. Für Patrick Ebert und Maximilian Nicu kamen Valeri Domovchiyski und Gojko Kacar ins Team. Lukasz Piszczek folgte noch für Pal Dardai. Der erhoffte Angriffsschwung blieb aus. Kurz nachdem Rausch in allerhöchster Not vor Voronin geklärt hatte, platzten bei dem agilsten Berliner die Sicherungen.
Er trat in der 89. Minute gegen Leon Andreasen nach. Die rote Karte gegen den Torjäger dürfte Hertha noch mehr schmerzen, als die vielen vergebenen Chancen der Partie. Favre ärgert sich nach der Partie: "Wir haben mehr Chancen, kriegen aber die Tore.”
Den Ausraster von Voronin kommentierte er vor keinem Mikrophon. Keeper Enke war mit seinen Vorderleuten hochzufrieden: "Christian Schulz macht sowieso alles, was man ihm aufträgt. Und auch der Mario Eggimann hat nach der schweren Zeit jetzt drei Spiele, sehr, sehr gut gespielt.” Dann stand Enke selbst im spekulativen Fokus hinsichtlich eines Bayern-Wechsels. Enke unterstrich: "Es gibt keinen Kontakt zu den Bayern. Es wäre absolut unseriös und verantwortungslos von mir, in der jetzigen Situation, in der es um die Existenz von 96 in der ersten Liga geht, irgendetwas anderes im Kopf zu haben als meine tägliche Arbeit hier."