1. Posse, Schwank, Klamotte, Farce – oder was sonst?

    "Pension Schöller" tat sich auf im Kurtheater / Gelungene Inszenierung

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    BAD NENNDORF. Warum findet der begriff der "Posse" keinen Platz im Programmheft des "Landestheaters Marburg"? Denn als eine solche ist das 1890 entstandene Stück ausgewiesen. Nichts desto weniger ist es natürlich auch eine Komödie, die allerdings höheren Ansprüchen zu genügen hat als eben jenen, die die Posse für sich reklamiert: lustig zu sein, und zwar derb-lustug, nicht mit übermütigen Streichen sparend, fixe Ideen auf Gedeih und Verderb durchziehend und dabei Peinlichkeiten zuhauf in Kauf nehmend, die den Betroffenen an den Rand der Verzweiflung bringen. Und darüber soll dann auch noch herzhaft gelacht werden. Völlig belanglos der Inhalt, den man bei einer Posse vergessen oder eben auch behalten kann, wenn man ihn schon kennt. Gelacht wird trotzdem, auch beim zweiten oder dritten Mal. Worauf also kommt es an? Allein auf die Präsentation, und die schlug voll ein.

    Peter Radestock, einst Spielleiter dieses Theaters, zeigte allen, wo es lang geht. Als Philipp Klapproth ist er der Stifter einer fixen Idee, zugleich stürzt er als Opfer bei ihrer konsequenten Umsetzung von einer Turbulenz in die andere. Zwei Ebenen muss er bespielen: die des normalen Menschen und die jener Leute, auf die er sich eingelassen hat: auf Leute, die restlos mischugge sind: Das kriegt er ganz köstlich hin. Hingabe und Abwehr, Begeisterung und Entgeisterung, Verkrampftheit und Tollerei stehen in ständigem Wechsel miteinander. Was soll er auch machen angesichts von schrägen Vögeln, die zwar alle im Raum der allgemeinen Zurechenbarkeit agieren, dies ab doch so exaltiert, dass man annehmen muss, sie alle seien durchgeknallt: allen voran Eugen Rümpel, der als Stefan Gille sich dem Theater verschrieben hat, dies allerdings mit dem Handikap, kein "L" sprechen zu können. So muss man denn schon nachfragen, was er meint, wenn er von "Schinners Tenn" schwärmt. Er verklärt, verzückt, verrenkt seine Gliedmaßen zum Ausdruck seiner Mitteilsamkeit.

    Prompt ist das Publikum eingeschworen auf alle folgenden Kuriositäten, ob ins Bild gesetzt von einer völlig überdrehten Schriftstellerin (Ulrike Knobloch) oder einem ausrangierten Major (Markus Klauk), der immer noch nicht begreifen will, dass kein Krieg mehr stattfindet. Wie schon gesagt, Philipp Klapproth reitet sich in die selbst eingerührte Bredouille und wird am Ende zu dem, wofür er die anderen Gäste der Pension hält: zum Verrückten.

    Hier könnte die Antwort zu finden sein auf die Frage, wie es kommt, dass einer Einladung zu dieser Posse gern auch heute noch gefolgt wird. Was man sät, das erntet man: man sät Unfug und erntet Unfug, man sät Schwachsinn und erntet solchen.

    Aber auch auf krummen Linien wird gerade geschrieben, will sagen: Ende gut, alles gut. Es bleibt dem Publikum nichts anderes übrig, als sich für herzliches Lachen herzlich zu bedanken.

    Oskar Wedel

    Foto: privat

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