1. Es wühlt schon auf

    Oliver Glißmann führt durch Ausstellung "Zeiten der Not und der Hoffnung"

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    STADTHAGEN (mr). Gelegenheit für Erinnerungen. 65 Personen drängten sich – im wahrsten Sinne des Wortes – um Oliver Glißmann, der die Sonderausstellung "Zeiten der Not und der Hoffnung – Nachkriegsalltag in Stadthagen" in der Amtspforte mit seinen Erzählungen bereicherte.

    65 Besucher unternehmen mit Oliver Glißmann den "Rundgang" durch die Sonderausstellung.

    Interessiert hören die Besucher Oliver Glißmann zu. Erinnerungen werden wach.

    c. Anschaulich ergänzt Oliver Glißmann das "Material" mit Erzählungen, wie zum Beispiel der Geschichte vom "Kohleklau und dem Oberpfarrer".

    "Es wühlt schon auf", bemerkte Anita Wehmeier, die, nun in der Nähe von Springe wohnend, zusammen mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern aus Ostpreußen geflüchtet war. Noch gut kann sie sich an die "Klappern" erinnern, Sandalen mit Holzsohlen, die an den Füßen nur mit ein paar Leinenbändern Halt gaben. Oder an den Geruch der Knappwurst, die ihre Schulkameraden aßen, während sie Tag für Tag Schmalzbrote aus dem benutzten Butterbrotpapier wickelte. Noch heute kann sie keiner Knappwurst widerstehen. Ganz genau weiß sie auch noch, wie ihr Paar Schuhe aussah, dass sie dreimal hintereinander zu Weihnachten bekam, bis es endlich passte. Auch Dorothea Seggebruch aus Volksdorf stellte fest: "Es kommt sehr viel hoch." Gleichzeitig ist sie froh "und dem Oliver Glißmann sehr dankbar", dass sie endlich mal die Möglichkeit hat, offen über alles zu sprechen. Über die Tatsache, dass sie ein Flüchtlingskind aus Ostpreußen war, habe man früher nicht geredet. Einig sind sich beide: die Zeit hat geprägt. Gleichzeitig stellt Wehmeier fest: sie war auch gut. Sie habe einen bescheidener, dankbarer – und sehr kreativ gemacht.

    Dass "Not erfinderisch macht", weiß auch Gerhard Heitschmidt aus Bückeburg. Aus den Fäden der Zuckersäcke habe seine Mutter damals Pullover gestrickt. Auch an die Umfärbung und Umarbeitung der alten Uniformen, von der Glißmann berichtete, kann er sich noch gut erinnern. Aufmerksam hörten die Besucher den Erzählungen Glißmanns zu und schauten sich die einzelnen Stücke, wie ein Konfirmandentagebuch oder den Kurzmantel aus Fliegerjacken, Bilder und Infotafeln an. Kennendes Kopfnicken oder eine leise Erläuterung in das Ohr des Partners zeigten, dass die Erinnerungen einiger Gäste wachgerufen wurden. Eine gute Gelegenheit ergab sich im Anschluss, diese auszutauschen.

    Noch bis zum 19. April ist die Sonderausstellung in der Amtspforte zu sehen. Die Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 10 Uhr bis 12 Uhr und von 15 Uhr bis 17 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 15 Uhr bis 17 Uhr. Ein besonderes Ereignis findet am Freitag, 13. März, um 19 Uhr statt. Tatjana Gräfin Dönhoff liest aus ihrem Buch "Die Flucht". Foto: mr

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