RODENBERG (pd). Im Rahmen der Präventionstage an der Stadtschule Rodenberg hatten Neuntklässler die Möglichkeit, mit so genannten Baby-Simulatoren auszutesten, wie sich das Leben eines Teenagers mit Säugling verändert. Zehn Schülerinnen und zehn Schüler kümmerten sich drei Tage und zwei Nächte lang um ein fast "echtes" Baby, dass dank ausgefeilter Computertechnik wie ein Neugeborenes schreit und dazu regelmäßig gewickelt, gefüttert und geschaukelt werden muss.
Sie kümmern sich drei Tage und zwei Nächte um ein fast echtes Baby: Die Neuntklässler der Stadtschule Jessica, Heeba, Miriam, Jennifer, Pascal und Malte.
Die beiden Projektleiter, Irmtraud Wehking vom Frauenzentrum Stadthagen und Andreas Woitke, zuständig für Prävention und Integration bei der Jugendpflege des Landkreises, machten die Jugendlichen mit den Babys vertraut. Nach den Worten von Woitke liegen die Zielsetzungen des Baby-Projektes in der Vermeidung von Frühschwangerschaften, die Lebens- und Zukunftsplanung, die Erkennung der Bedeutung von Verantwortung in Partner- und Elternschaft. Natürlich wurde auch das Thema "Verhütung" während der Gesprächsrunden mit den Jugendlichen nicht ausgespart.
Aus ihrer Erfahrung heraus würden eigentlich immer solche Jugendlichen bei dem Baby-Simulationsprojekt mitmachen, die auch Kinder haben wollen. Und nach Ende des Projektes, nach mehr oder weniger durchwachten Nächten und einem vollends veränderten Tagesablauf mit Säugling, habe sich bei den meisten die Erkenntnis gebildet, mit der Gründung einer Familie doch lieber noch warten zu wollen. Neben zehn Mädchen hatten sich auch zwei Jungs für die Teilnahme am Baby-Projekt entschieden. Malte und Pascal hatten mit dem "Computer-Baby" überhaupt keine Berührungsängste. Nach ihren Motiven gefragt, antworteten beide: "Wir wollten ´mal sehen, wie das mit einem Baby so ist". Pascal und Malte haben "ihr" Kind "Rey" genannt. Heeba und Jessica kümmerten sich gleich liebevoll um Baby "Gianna", Miriam und Jennifer teilten sich die Fürsorge für "Susan". Angst vor dem Gang auf den Schulhof und in die Pausenhalle, wo die Mitschüler sicher große Augen machen würden, hatte keiner von ihnen.
Die drei Tage des Projektes waren alle "Elternpaare" damit beschäftigt, dem Neugeborenen gerecht zu werden. Am dritten Tag konnte man bei den meisten "Leiheltern" doch dunkle Augenringe bemerken. Weil sich die Simulatoren wie echte Säuglinge natürlich auch nachts gemeldet haben, war die Zeit für die Jugendlichen doch recht anstrengend. Ihr Fazit: Der Kinderwunsch besteht nach wie vor, doch zum derzeitigen Zeitpunkt stehen Schule, Berufsausbildung, Freunde und Freizeit noch ganz oben an. Wie wenig im Elternhaus über Verhütung oder Lebensplanung überhaupt gesprochen wird, wissen die beiden Projektleiter aus langjähriger Arbeit mit jungen Menschen in Konfliktsituationen. Naivität, Leichtsinnigkeit und auch der oft zu sorglose Umgang mit dem Internet lassen Hemmschwellen heute leichter fallen, als dies noch vor Jahren der Fall war. Die Aufklärung im Elternhaus fällt häufig aus, dafür holen sich die Kids "Informationen" aus dem Netz mit der Folge, dass Hemmschwellen sinken.
Mit Aufklärungsarbeit und einer daraus resultierenden Stärkung des Selbstbewusstseins könnten Jugendliche zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Sexualität und ihrem eigenen Körper gebracht werden. Daher sehen Wehking und Woitke das Projekt mit den Baby-Simulatoren und die begleitenden Gespräche mit den Jugendlichen als relativ existentiell an.
Und daher waren sie auch angenehm überrascht von der Gruppe an der Stadtschule, die sich am Ende des Projektes beim Austausch von Erfahrungen erstaunlich offen gegeben hat. Eine "Leihmutter auf Zeit" antwortete auf die Frage nach ihren Eindrücken: "So ein Baby ist schon toll und es tut mir auch ein bisschen leid, es jetzt wieder abzugeben. Aber da hängt ja schon eine ganze Menge Verantwortung dran und daher möchte ich mit dem Kinderkriegen noch eine ganze Zeit lang warten!" Foto:pd