RODENBERG (al). Wer dem Rodenberger Freilichtmuseum Böses will, guckt künftig in ein weiteres großes Kanonenrohr. Drei schwere Geschütze ergänzen bisher schon die Ausgrabungen des früheren Schlosses der Stadt. Nun ist eine vierte Waffe im sogenannten "Rondell" installiert worden, dem Rundturm auf der Nordseite des Geländes. Wieder haben die beiden Tüftler Helmut Stille und Helmut Weikert ganze Arbeit geleistet.
Helmut Weikert (v. re.) und Helmut Stille haben gemeinsam das Geschütz gebaut und erläutern es dem Fördervereins-Vorsitzenden Bernd Zimmermann.
So folgten den an sich schon spektakulären Ausgrabungen der alten Verteidigungsanlage weitere Einrichtungen, die den Zustand in der Zeit um 1500 anschaulich demonstrieren. Vor dem Ständehaus befindet sich ein auf großen Rädern montiertes Schwarzpulver-Geschütz. Auf der Bastei recken sich die Rohre eines monströsen Ungetüms aus etwa 1600 und schließlich der Nachbau eines aus dem 15. Jahrhundert bei Marburg entdeckten Originals.
Doch die beiden inzwischen zu Waffenexperten gereiften Handwerker gaben keine Ruhe. Auch im Rondell müsste eine Kanone stehen.
Das Vorbild hatte Stille schon entdeckt: eine "Falkaune" aus der Zeit um 1556, wie sie auf der Festung Wilhelmstein zur Abschreckung feindlicher Angriffe gedient hatte. Stille machte sich auf den Weg zur künstlichen Insel im Steinhuder Meer, fotografierte das Geschütz von allen Seiten, nahm gründlich Maß und fertigte anschließend genaue Zeichnungen, nach denen der gelernte Büromaschinenmechaniker die Arbeiten in Metall, sein als Zimmermeister bekannter Freund die Holzkonstruktion erledigen konnte. Jetzt mussten etliche Helfer anpacken, um die zentnerschweren Elemente an ihren Bestimmungsort zu bringen: Die Lafette war ja noch halbwegs zu bewältigen; aber die Kanone selbst bedurfte fünf kräftiger Männer. Schließlich ist das Stahlrohr, mit dem durchaus bis zu sechs Pfund schwere Kugeln abgefeuert werden könnten, von einem Betonmantel umgeben. Als Außenhülle dient ein ehemaliges Absaugrohr, das mit geeigneten Hilfsmitteln eine historisch wirkende Patina erhielt.
Natürlich wurde ein wenig geulkt, als der Vorsitzende des Fördervereins "Schloss Rodenberg", Bernd Zimmermann, eine Flasche Sekt mit hörbarem Knall entkorkte. Das Geräusch als Probeschuss war Helmut Stille allerdings zu wenig: Er steckte einen Feuerwerkskörper in die große Öffnung und zündete ihn zum Vergnügen der Anwesenden.
Zugleich wurde ein wenig über die Zielrichtung des Geschützes gefrozzelt: "Die zeigt nach Bad Nenndorf."
Aber so militant wollte sich Zimmermann in der Vorweihnachtszeit denn doch nicht zeigen: Lieber entzündete er in dem kleinen Wehrturm eine Kerze und reichte ein Tablett mit Christstollen herum. Am liebsten würden sich die beiden Kanonenexperten an die Konstruktion eines weiteren historischen Geschützes machen, obwohl sie für die bisherigen vier Prototypen insgesamt wohl schon etliche hundert Stunden investiert haben. "Dafür muss aber erst noch Neues ausgegraben werden", verlangte Renate Bredemeier, die regelmäßig Besucher über das Gelände des Freilichtmuseums führt.
Zufälliger Gast der Kanonenpremiere war übrigens Bürgermeister Günter Altenburg, der sich mit Lob nicht zurückhielt: "Das ist wirklich einmalig, was hier gemacht wird", gab er später dem SW noch zu Protokoll." Foto: al