NIENBURG. Mit einem Entschließungsantrag fordert die SPD im Landtag die Landesregierung auf, die Rechte von Leiharbeitnehmern zu stärken: Nach Auffassung der SPD-Landtagsfraktion greift "unanständige" Zeitarbeit in Deutschland stark um sich; sie diene zunehmend dazu, Stammbelegschaft abzubauen und durch günstigere Leiharbeitnehmer zu ersetzen. In einem Gespräch in Nienburg stellten der heimische SPD-Landtagsabgeordnete Grant Hendrik Tonne und Frauke Schacht, Landesbeauftragte des größten Arbeitgeberverbandes der Zeitarbeitsbranche (IGZ), dennoch in vielen Punkten Einigkeit fest.
Grant-Hendrik Tonne im Gespräch mit Frauke Schacht.
"Es geht der SPD in diesem Antrag nicht darum, Zeitarbeit grundsätzlich zu verteufeln. Zeitarbeit ist ein sinnvolles Instrument, um beispielsweise Auftragsspitzen abzufangen oder Fälle von Krankheit zu überbrücken", stellte der SPD-Abgeordnete klar. "Sie darf aber nicht dazu missbraucht werden, die Stammbelegschaft dauerhaft zu ersetzen." Darin fand er sich mit Schacht einig. Mit Blick auf den Entschließungsantrag der Sozialdemokraten wehrte sich die Landesbeauftragte deshalb gegen den pauschalen Vorwurf, Zeitarbeit diene zum Abbau von Stammbelegschaft, Zeitarbeitnehmer würden schlechter behandelt und genössen weniger Schutz: "Ich kenne keine einzige Firma im Landkreis Nienburg, die ihr Stammpersonal mittels Zeitarbeit herunterfährt", betonte Schacht. Darüber hinaus verfüge der IGZ über einen mit dem DGB ausgearbeiteten Tarifvertrag, der den Zeitarbeitnehmern – neben Urlaubs-, Weihnachts- und Krankengeld – teils sogar höhere Löhne als dem Stammpersonal des Kundenbetriebs zusichere. Etliche Arbeitgeber, die Zeitpersonal einsetzten, legten ausdrücklich Wert auf "faire" Tarifverträge. Allerdings sei auch klar, so die IGZ-Sprecherin, dass "jemand, der erst seit vier Wochen eine bestimmte Tätigkeit ausübt, in der Regel weniger bekommt als jemand, der diesen Job seit 20 Jahren macht". Die Frage des Landtagsabgeordneten nach dem so genannten Klebeeffekt – dem Wechsel von Zeitpersonal in einen Kundenbetrieb – wurde von Schacht bestätigt: "25 Prozent sind realistisch." Darüber hinaus würden die Personaldienstleister neue Arbeitsplätze schaffen: Die acht Zeitarbeitsfirmen im Raum Nienburg beschäftigten rund 400 Mitarbeiter – ganz überwiegend Menschen, die zuvor arbeitslos waren. "Für uns kommt es weniger auf das Zeugnis an, sondern darauf, was jemand kann. Dann zeigt er, was er kann, und dann hat er den Job", so die Arbeitgebervertreterin. Dadurch fänden Menschen mit Entwicklungshemmnissen ebenso den Weg in den ersten Arbeitsmarkt wie ältere Arbeitslose, die sonst kaum noch Chancen hätten. Weitere Fragen des Sozialdemokraten zielten unter anderem auf die Flexibilität in der Zeitarbeit und die damit unter Umständen gegebene Unsicherheit der Mitarbeiter ab, auf Höhe und Art der Bezahlung und den Umgang mit Überstunden sowie auf Einsatzreichweiten. Zusammenfassend erklärte Schacht, der IGZ mache sich für "faire Zeitarbeit" stark: Das gebe den Mitarbeitern Sicherheit und motiviere sie, was wiederum den Kundenbetrieben zu Gute komme und damit letztlich den Personaldienstleistern. Die IGZ-Landesbeauftragte verwies in diesem Zusammenhang auch auf die ihrer Einschätzung nach positive Einstellung der Arbeitsverwaltung zur Zeitarbeit in der Region, sei es als Indikator für die Wirtschaft, sei es als "Job-Motor". "Wenn es um faire Zeitarbeit geht, hauen wir in die selbe Kerbe", fasste Grant Hendrik Tonne seinen Eindruck des Gesprächs zusammen. Fehlentwicklungen und Auswüchse der Zeitarbeit dürften aber nicht toleriert werden. Er wolle ein direktes Gespräch zwischen der IGZ-Landesbeauftragten und dem zuständigen Gremium der SPD-Landtagsfraktion initiieren,um den Informationsfluss auf Landesebene in beide Richtungen zu verbessern: "Wenn wir in Nienburg die Arbeitgebervertreterin einer für die Region recht wichtigen Branche haben, dann sollten wir diese Chance nutzen." Foto: privat