1. "Die Nazis haben nicht gesiegt"

    Autoren stellen Buch "Jüdisches Leben in der Provinz" vor / Leser neugierig auf Geschichte machen

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    OBERNKIRCHEN (bb). Vor zahlreichen Gästen hat das Autorenteam um den Historiker Rolf-Bernd de Groot das Buch "Jüdisches Leben in der Provinz" im Obernkirchener Stiftssaal vorgestellt. Das von der Schaumburger Landschaft herausgegebene Werk schildert das Schicksal jüdischer Familien in Schaumburg seit 1560, lässt dabei diesen Aspekt der Regionalgeschichte ausgehend von einzelnen Persönlichkeiten lebendig werden.

    Rolf-Bernd de Groot während der Vorstellung des Buches "Jüdisches Leben in der Provinz".

    Der Vorsitzende der Schaumburger Landschaft Klaus-Henning Lemme betonte in seiner Einführung, dass es im Buch gelungen sei, eine Darstellungsform zu finden, "die einem unter die Haut geht". Das Werk setze einen Schwerpunkt in der Schilderung des Lebens jüdischer Familien in Schaumburg, breche so die Gesamtthematik auf die Biografien von einzelnen Menschen herunter. "Man erlebt ihr Schicksal hautnah mit", fasste Lemme zusammen. Der Geschäftsführer der Schaumburger Landschaft Sigmund Graf Adelmann fügte hinzu: "Es gelingt Rolf-Bernd de Groot, den Leser neugierig auf Geschichte zu machen." Dabei werde deutlich, dass sich jüdisches Leben und das Zusammenleben mit der christlichen Mehrheitsgesellschaft nicht nur auf zwölf Jahre Mord und Verfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus reduzieren lasse. Es werde jedoch sehr wohl dargestellt, dass Schaumburger Bürokraten in die Verbrechen gegen die jüdischen Mitbürger beteiligt waren.

    Graf Adelmann wies auf die besondere Form der Dokumentation hin. Statt Fußnoten im Text zu setzen, seien die Dokumente selbst abgedruckt, würden so einen viel deutlicheren und lebendigeren Eindruck hinterlassen. Rolf-Bernd de Groot selbst erläuterte, dass es Ziel des Buches sei, auch den Laien zu erreichen. Es sei darum gegangen, Geschichte zu erzählen und nicht zu dozieren. "Wir würden uns freuen, wenn das Buch auch im Unterricht in den hiesigen Schulen eingesetzt wird", erläuterte er. Im ersten Abschnitt des Werkes stellt Rolf-Bernd de Groot ausgehend vom Schicksal einzelner Familien die Geschichte des Judentums in Schaumburg dar. Er schlägt dabei einen Bogen von den Lebensumständen der sogenannten Schutzjuden in der frühen Neuzeit über den Weg in die staatsbürgerliche Gleichberechtigung bis zu den Verbrechen während der Nazizeit und der Tendenz nach dem Krieg, diese Verbrechen aus der Erinnerung zu verdrängen. Im anschließenden Dokumentarteil beschäftigt sich Günter Schlusche mit dem jüdischen Friedhof in Obernkirchen, zieht aus Anlage und Grabmalen Schlussfolgerungen zur Stellung der jüdischen Familien in der Gesellschaft im Lauf der Jahrhunderte. Siegfried Bönsch lässt in Interviews Zeitzeugen zu Wort kommen und gibt mit Familienblättern einen Überblick über die Mitglieder jüdischer Familien in Schaumburg. Das Buch ist randvoll mit Fotografien und Abdrucken von Dokumenten, die das Geschehen anschaulicher machen und Betroffenheit wecken.

    Johanna Schönfeld, Nachfahrin einer der Familien, von denen das Buch erzählt, berichtete in ihrer Rede während der Veranstaltung von ihrem verstorbenen Mann, der auf dem Friedhof in Obernkirchen bestattet wurde. Auch sie hat sich mit einem Beitrag an dem Werk beteiligt. Über ihren Mann, dessen Grab auf dem Friedhof mehrmals geschändet wurde schreibt sie: "Sein Leben begann in Obernkirchen und es fand hier sein Ende. So hätte er es sich gewünscht!"

    Günter Schlusche wies in seiner Rede darauf hin, dass von diesem Abend im Stiftssaal das wichtige Signal ausgehe: "Es ist den Nazis nicht gelungen, einen Schluss-Strich zu ziehen, sie haben nicht gesiegt."

    Rolf-Bernd de Groot / Günter Schlusche: Jüdisches Leben in der Provinz. Schicksale jüdischer Familien in Schaumburg seit 1560, erzählt und dokumentiert. Ellert & Richter Verlag, 19,95 Euro.

    Foto: bb

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