OBERNKIRCHEN. Ein deutliches Zeichen gegen das Vergessen haben zahlreiche Bürgerinnen und Bürger Obernkirchens aus allen Altersschichten mit ihrer Teilnahme an der Gedenkfeier für die Opfer des Holocaust und die Ereignisse der Reichspogromnacht vor 70 Jahren gesetzt. Die Gedenkfeier findet in Obernkirchen seit 20 Jahren statt - organisiert wird sie durch die Stadt und die beiden Kirchengemeinden, die musikalische Begleitung übernahm in diesem Jahr der Chor der evangelischen Kirchengemeinde.
Mit einem Augenzeugenbericht von Professor Meir Schwarz, der als 13-jähriger die Gräueltaten in der Nacht des 9. November 1938 erlebte, führte Jürgen Weisbrich den Anwesenden die Schrecken bildlich vor Augen. Bürgermeister Oliver Schäfer, der zusammen mit den Geistlichen Herbert Schwiegk und Norbert Mauerhof durch die Feierstunde führte, blickte in seiner Ansprache auf die Vorgänge in Deutschland und Obernkirchen zurück.
"Die Pogromnacht gehört zu den beschämendsten Momenten der deutschen Geschichte, die Geschehnisse waren ein solcher Schlag ins Gesicht von Humanität, Zivilisation und Anstand, dass wir uns an dieses Datum immer wieder erinnern müssen."
In Obernkirchen, zitierte Schäfer aus dem Buch "Jüdisches leben in der Provinz" von Rolf-Bernd de Groot und Günter Schlusche, zündete die SS die Synagoge an der Ecke Strullstraße/ Bornemannstraße an, zog Zerstörung verbreitend durch die Innenstadt und verhaftete unter anderem Moritz Schönfeld und Leopold Lion.
Obwohl die Ungeheuerlichkeit der nationalsozialistischen Verbrechen, die etwa 6 Millionen Juden das Leben gekostet haben, inzwischen 70 Jahre zurückliege, sei die Mahnung, dass dergleichen nie mehr geschehen dürfe, unverändert notwendig, betonte Schäfer.
Dies gelte "besonders jetzt, da die Generationen, die das so genannte Dritte Reich und den 2. Weltkrieg nicht mehr erlebt haben, in die Verantwortung eingerückt sind."
Das der Antisemitismus keinesfalls ausgerottet ist, verdeutlichte Schäfer anhand der Tatsache, dass in naher Vergangenheit der jüdische Friedhof in Obernkirchen geschändet worden war.
Lange Zeit habe man in Deutschland die kleinen und stillen Helden des Widerstandes nicht zur Kenntnis genommen, da diese die Legende zerstörten, dass man "nichts habe machen können". Da sich aber niemand im Nachhinein einbilden könne, er selbst wäre im Ernstfall ein Held gewesen, lautete ein Fazit des Bürgermeisters:
"Umso mehr haben wir alle die Pflicht, für Verhältnisse in unserem Land zu sorgen, in denen niemand ein Held sein muss, um ein guter Mensch zu sein."
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