1. Verhandlung am Staatsgerichtshof

    Normenkontrollklage der Landtagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen

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    BÜCKEBURG (hb/m). Am Freitag hat vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg unter dem Vorsitz des Richters Professors Dr. Jörn Ipsen die Mündliche Verhandlung zur Normenkontrollklage der Landtagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen stattgefunden. Die Antragsteller haben rechtliche Bedenken gegen die vom Landtag mit der Stimmenmehrheit von CDU und FDP im Jahr 2007 verabschiedeten Novellierungen des "Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes" – es definiert den Rechtsrahmen für die Unterbringung psychisch kranker beziehungsweise suchtkranker Straftäter – und des "Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke", das die Unterbringung psychisch Kranker oder behinderter Menschen regelt, vorgebracht.

    Helge Limburg (v.li.), Heiner Bartling und Prof. Dr. Jörg-Martin Jehle vertreten die Antragsteller, die Landtagsfraktionen der SPD und der Grünen.

    Unter Vorsitz von Prof. Dr. Jörn Ipsen (mi.) tagt das neunköpfige Richtergremium des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes.

    "Wir sind der Meinung, dass beide Gesetzesänderungen von der Regierung Wulff mit heißer Nadel gestrickt worden sind, um möglichst schnell durch den Verkauf der Krankenhäuser eine kurzfristige, einmalige Einnahmeverbesserung im Landeshaushalt und eine Verschiebung von über 5.000 Stellen aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes in die Privatwirtschaft zu erreichen", meinte der heimische SPD-Landtagsabgeordnete Heiner Bartling vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Schaumburger Wochenblatt. Bartling und der Landtagsabgeordnete Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen) haben, begleitet von den Professoren Dr. Werner Heun (Göttingen) und Professor Dr. Jörg-Martin Jehle, die Antragsteller vertreten. Für die Landesregierung hat die Staatssekretärin Christine Hawighorst (CDU) Stellung bezogen.

    Bei dem Konflikt geht es im Wesentlichen darum, ob mit dem Verkauf der Landeskrankenhäuser auch die entsprechenden hoheitlichen Aufgaben an Private übertragen werden dürfen. Die "Maßregeln der Besserung und Sicherung" sind neben der Strafe eine zusätzliche Reaktionsmöglichkeit auf Straftaten. Bei ihrer Anwendung werden elementare Eingriffe in die Grundrechte der einzelnen Betroffenen vorgenommen.

    Vorsitzender Ipsen erinnerte zu Beginn des zweieinhalbstündigen "lebendigen Rechtsgespräches" daran, dass die Übertragung von hoheitlichen Aufgaben auf private Kliniken nichts Neues ist. Dies hat für Heun aber keine rechtliche Bedeutung für das Verfahren. Bislang seien es besondere Einzelfälle wie beispielsweise Demenz gewesen, zukünftig sollen grundsätzlich alle Fälle privatisiert werden. Prof. Dr. Werner Heun: "Eine verfassungswidrige Praxis kann nicht zum Gewohnheitsrecht werden." Für die Antragsteller, so Heun, sei Artikel 60 der Niedersächsischen Landesverfassung die einschlägige Vorschrift. Sie legt fest, "dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse in der Regel Angehörigen des Öffentlichen Dienstes zu übertragen ist". Hawighorst hat Zweifel bezüglich der Anwendbarkeit des Artikels 60. Sie meint, dass er "nur Aufgaben innerhalb des Öffentlichen Dienstes, zwischen Angestellten und Beamten" betrifft. Die neuen Regelungen hält sie für verfassungsgemäß. Die Übertragung auf private Träger sei ein "neuer niedersächsischer Weg, weg vom alten Denken". Entwicklungen in der Psychiatrie müssen, so Hawighorst, eine verfassungskonforme Auslegung zulassen und andere verfassungsrechtliche Regelungen ermöglichen. Schließlich stehe die Therapie im Vordergrund. Diverse Nachfragen der Richter haben allerdings Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gesetze verstärkt. Foto: hb/m

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