1. Ballzauberer wirbeln die Roten kräftig durcheinander

    Hannover 96 im Aufbau zu behäbig / Torwartpatzer von Florian Fromlewitz / Rot für Arnold Bruggink / Drei Spiele in einer Woche

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    HANNOVER (ro). Hacke, Spitze, Hoffenheim. Mit erfrischendem Offensivfußball entzauberte der Tabellenzweite 1898 Hoffenheim die Roten. Es war Ralf Rangnicks erster Auftritt als Gästecoach in Hannover. "Die Erinnerungen sind überwiegend positiv - es war immer etwas los”. Dieser Schiene blieb er mit seinem neuem Team treu. Mit dem 2:5 war Hannover 96 sogar noch gut bedient. Die Gäste nutzten in der Endphase hochkarätige Chancen nicht. Bedingt durch das Debakel zeigt der Daumen jetzt wohl abwärts. Die Woche der Wahrheit wird Klarheit bringen: Heimspiel gegen Werder Bremen, Mittwoch bei Hertha BSC Berlin und dann erneut Heimrecht gegen den Hamburger SV. Diese drei Partien dürften endgültig den Schleier lüften "um das beste Team seit Jahren". Mit weniger als fünf Punkten daraus dürfte der unerwartete Abstiegskampf für die Roten beginnen. Im Stadionkurier "Stammplatz" hatte Präsident Martin Kind noch Freude darüber ausgedrückt, das die Mannschaft nach den Spielen gegen Bayern München und Borussia Dortmund zur "Qualität zurückgefunden hat, die wir schon zu Saisonbeginn erwartet hatten". Auch die Fans haben vieles erwartet, nach den gepriesenen Neuzugängen. Geblieben ist Ernüchterung.

    Es fehlt einfach die Führungspersönlichkeit. Nie war diese Erkenntnis erschreckender als nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Robert Enke. Da leistete sich der junge Torhüter Florian Fromlewitz einen dummen Patzer zum Ausgleich - und keiner ging auf den Youngster zu. Klein Klapps der Aufmunterung, kein Signal an alle - kein jetzt erst recht, sondern eher sichtbare Resignation. Ein einfacher Weg: Sündenbock gefunden und jeder schlüpfte wieder in die Rolle der alleinigen Selbstdarstellung.

    Somit blieb es dann auch bei den altbekannten Schwächen. 96 zeigte von Beginn an Schwierigkeiten mit dem Spielaufbau aus der hintersten Linie heraus. Sehr laufintensiv mühten sich die Roten die Räume frühzeitig zuzustellen. Hoffenheim wirkte im Offensivansatz weitaus gefällig, technisch versierter und hatte stets die raumöffnende Idee parat. Und dies alles im schnellen Vorwärtsdrang, währenddessen bei den Roten der Ball stets erst einmal rückwärts wanderte. Die 96-Spieler wirkten in der Defensive nicht nur gedanklich, sondern auch körperlich zu langsam für die ballgewandten und schnellen Hoffenheimer-Stürmer. So waren Gegentore eigentlich nur eine Frage der Zeit.

    Die Gäste kamen nach zwölf Minuten zur ersten Gelegenheit: 96-Schlussmann Fromlowitz konnte einen Freistoß Eduardos im Nachfassen sichern. Nun kam die TSG-Offensive ins Rollen. Ein Schuss von Carlos Eduardo von der Strafraumgrenze ging links vorbei (13.), ein Schrägschuss Demba Bas rechts (18.). Die Roten konnten lediglich durch Fernschüsse Brugginks dagegen halten, die aber entweder in den Armen von Haas landeten (17.) oder zu unplatziert angesetzt waren (28., 32., 35.). Nachdem Fromlowitz zunächst noch Carlos Eduardos Schussversuch parieren konnte (27.), war der 96-Schlussmann in der 36. Minute erstmals geschlagen. Wieder einmal war es Topscorer Vedad Ibisevic, der für die verdiente Gästeführung sorgte: Der Bosnier leitete selbst mit einem Pass auf Beck ein, wurde vom ehemaligen Stuttgarter von rechts wieder bedient und ließ Fromlowitz per Direktschuss aus fünf Metern keine Abwehrchance (36.). Sechs Minuten später blieb der 96-Debütant bei einem Carlos Eduardo-Freistoß, den er aus dem rechten Winkel fischte, dann aber Sieger. Hoffenheim ging mit einer verdienten Führung in die Kabine.

    Dieter Hecking reagierte zur Pause, brachte Stajner für den wirkungslosen Schlaudraff – eine Maßnahme, die zunächst zu greifen schien. Auf Flanke des Tschechen setzte Christian Schulz zu einem Seitfallzieher an, der zur Ecke abgeblockt wurde. Die schlug Huszti von rechts auf den langen Pfosten, wo erneut Schulz allein gelassen wurde und direkt mit links zum Ausgleich verwandelte – unter leichter Mithilfe des Gästekeepers Haas (48.). Nun entwickelte sich eine offene Partie. Weis wurde abgeblockt (59.), Brugginks Kopfball verfehlte den rechten Pfosten (60.). Ein Konter führte dann zur etwas überraschenden Führung der Gastgeber: Huszti bediente vom linken Flügel den frei stehenden Joker Stajner, der vom rechts im Strafraum die Nerven behielt und aus 14 Metern in die kurze Ecke verwandelte (64.).

    Im direkten Gegenzug köpfte Ibisevic zum vermeintlichen schnellen Ausgleich ein, doch der Bosnier hatte sich regelwidrig gegen Cherundolo eingesetzt, so dass Schiedsrichter Seemann dem Treffer zurecht die Anerkennung verweigerte (65.). Es sollten zwei Schlüsselszenen folgen, die der Partie die endgültige Richtung gaben. Zunächst verpasste 96 die Vorentscheidung, als Gästekeeper Haas einen Bruggink-Freistoß aus 23 Metern gerade noch aus der rechten Ecke kratzen konnte (66.), dann brachte TSG-Coach Rangnick Joker Salihovic für den defensiveren Gustavo. Und der bosnische Ausnahmetechniker sollte die Partie entscheiden. Gerade auf dem Rasen zog Salihovic vom linken Strafraumeck ab – und der unglückliche Fromlowitz ließ das eigentlich schon sicher parierte Spielgerät wieder aus der Hand rutschen. Chindeu Obasi bedankte sich und staubte zum 2:2-Ausgleich ab (70.). Keine zwei Minuten später traf Sejad Salihovic dann selbst. Bedient von Carlos Eduardo knallte er das Leder aus ähnlicher Position wie zuvor, dieses Mal unhaltbar für Fromlowitz, ins lange rechte Eck. Der Doppelschlag war der Knockout für die Roten, von dem sie sich nicht mehr erholen sollten. Was folgte, war eine brillante TSG-Kür. Demba Ba traf wenig später nach erneuter Salihovic-Zuarbeit zur 4:2-Entscheidung – wieder sah Fromlowitz, der die Kunststoffkugel durch die Hosenträger passieren ließ, nicht gut aus (80.). Vedad Ibisevic ließ es sich nicht nehmen, auch noch seinen bereits neunten Saisontreffer folgen zu lassen (83.). Die 96-Defensive hatte dem wirbelnden Hoffenheim-Angriff nichts entgegen zu setzen und sogar noch Glück, dass Ba in der Schlussminute allein vor Fromlowitz stehend leichtfertig vergab. Im Anschluss an das 2:5 ließ sich Bruggink zu allem Übel auch noch zu einem Frustfoul gegen Salihovic hinreißen – was einen Platzverweis als die richtige Konsequenz nach sich zog. Foto: jh

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