POHLE/NIENFELD (al). Kaum ein Mensch macht sich am äußersten nördlichen Süntelrand bei Nienfeld auf den Weg. Manche steuern von Raden aus das Dachtelfeld an; andere marschieren von Langenfeld oder von Bakede im Sünteltal zum Hohenstein. Dass sich kaum jemand im sogenannten "Südholz" herumtreibt, ist Eigentümer Otto von Blomberg gar nicht einmal unrecht. Denn so bleiben die naturhistorischen Besonderheiten erhalten, für die er vor drei Jahren sogar einen von der "Schaumburger Landschaft" ausgesetzten Preis erhalten hat. Und so ein bisschen war ihm das Genugtuung: Schließlich pflegt der Eigentümer recht aufwendig zwei Schneitelbuchenalleen.
Schneitel.., was? Kaum ein Mensch kennt heutzutage noch diese alte Form der Viehweide. Früher wurden Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen in den Wald getrieben. Und bis 1884 ist sogar dokumentiert, dass Hirt Quante die Pohler Schweine im hiesigen Nienfelder Holz hütete.
So hoch die fressenden Mäuler reichten, blieb kein grünes Blatt verschont. Was aber darüber hinaus aus den Baumstämmen wuchs, wurde von den Bauern genutzt. Sie schnitten Äste und Zweige und trockneten sie als Einstreu oder als Tierfutter für den Winter.
Mit der Zeit bildeten die in zwei Alleen angeordneten insgesamt 260 Hainbuchen dicke Köpfe. Diese mussten erst recht gepflegt und deshalb von nachwachsenden Ästen befreit werden: Sonst wären sie wohl aufgrund der schweren Last auseinandergebrochen.
Diese beiden Alleen, die wohl schon 150 Jahre alt sein könnten, lässt von Blomberg etwa alle acht Jahre beschneiden. Dann sieht die Reihe zwar furchtbar kahl aus; doch schon bald bildet sich wieder ein dichtes und recht malerisches Laubdach. Heute hütet zwar niemand mehr das Vieh in dieser Gegend; aber der Eigentümer sieht in den beiden Alleen einen wichtigen Beleg für die früheren bäuerlichen Gewohnheiten.
Interessant ist für ihn auch, dass die Alleen sich so ziemlich genau am dem ehemaligen Grenzknick befinden: Hier trennten sich einst Bukkigau und Gau Osterburg, später die hessische Grafschaft Schaumburg und das Kurfürstentum beziehungsweise Königreich Hannover, dann die Landkreise Springe und Rinteln und heute immerhin noch die Gemeinden Auetal und Pohle voneinander.
Es bedarf nicht viel Phantasie, sich diese ehemalige Demarkationslinie mit weitgehend undurchdringlichem Bewuchs vorzustellen. Selbst auf Matthäus Merians Kupferstich von Lauenau aus dem Jahr 1650 ist der Grenzknick bei "Neufeldt" im Bildhintergrund erkennbar und sogar bezeichnet.
Kaum jemand weiß auch etwas von der fast verfallenen 800-jährigen Münchhausen-Eiche, in der sich einst ein Vorfahr der Familie und "kayserlicher Postmeister" erfolgreich versteckt haben soll. Flüchtende Franzosen wollten den Mann als Geisel nehmen. Und eine Steinbank verrät ebenfalls nichts von früheren Zeiten. Fünf dieser Sitzgelegenheiten gibt es jedoch in diesem Gebiet, die der Überlieferung nach als Sühne galten: Holz- oder Wilddiebe konnten sich auf diese Weise vor einer sonst schweren Strafe schützen. Allerdings rätselt Otto von Blomberg, welcher nachsichtige Vorfahr sich wohl diese Art von Strafe ausgedacht haben mag. Kürzlich hätte er sie doch zu gern einmal selbst angewandt: Da war eine Gruppe junger Leute unterwegs, die erhebliche Schäden in der Allee hinterließen.
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