POHLE (al). Eigentlich hat sich Reinhold Weber schon längst einen Orden verdient. Dabei macht er sich gar nichts aus einer hohen offiziellen Anerkennung. Aber wäre seine Beharrlichkeit nicht gewesen, würde im letzten verbliebenen europäischen Emaille-Werk kein einziger Haushaltsgegenstand mehr mit einer Schmelzglasur überzogen werden. Schon waren 1990 die dafür benötigten Werkzeuge zur Verschrottung bestimmt. Doch Weber, dessen Freunde ihn nur "Charly" nennen, konnte die Verantwortlichen überzeugen. Schließlich leitete er bereits seit zehn Jahren die Firma "Münder-Email", die wetterfeste Beschilderungen in einem damals noch in Hannover bestehenden Emaillierwerk herstellen ließ.
Heute ist "Münder-Email" um ein Vielfaches größer und sitzt seit 1999 in einem eigenen Gebäude im Pohler Gewerbegebiet "Masch". Aus dem Ein-Personen-Betrieb sind 14 Arbeitskräfte geworden. Und Weber darf getrost auch für sich in Anspruch nehmen, die Beschäftigung weiterer zwei Dutzend Leute im polnischen Olkusz bei Krakau gesichert zu haben. In der dortigen Fabrik wurden übrigens Teile des berühmt gewordenen Films "Schindlers Liste" gedreht. In der inzwischen über hundert Jahre alten Industrieanlage werden die Aufträge aus Pohle abgewickelt. Lange Zeit ist es Trink- und Essgeschirr gewesen mit lustigen Abbildungen von Huhn, Gans oder Kuh. Nun gibt es einen neuen Boom: Stäbe in Naturrost für den Garten, auf denen kleine Emailleschilder die Bezeichnungen für Kräuter tragen. 80 verschiedene Täfelchen in acht Sprachen gibt es bereits. Allein in den vergangenen beiden Jahren hat Weber nach eigenen Angaben über 500.000 Stück verkauft. Schon verbreitet sich ein neues Sortiment für 40 Rosensorten und weiteren Einzelanfertigungen zur Bezeichnung besonderer Raritäten. An Ideen hat der 62-jährige Firmengründer keinen Mangel. Auf seinen langen Autofahrten zu Messen oder aber im direkten Kontakt mit dem Endverbraucher entwickeln sich Projekte. Manche setzt Weber selbst am Computer um; für andere bedient er sich externer Designerkenntnisse. Dann wird ein Muster produziert und bei entsprechender Zustimmung bald darauf eine große Serie. Allein die Lagerhaltung umfasst in Pohle eine Fläche von 4000 Quadratmetern. Manchmal aber werden Waren nur umgepackt: Neuerdings wickelt "Münder-Email" große Chargen in einmaliger Auflage für nur einen Auftraggeber ab. Soeben erst ist dies Emaillegeschirr mit maritimem Dekor für ein Hamburger Unternehmen gewesen.
Doch nicht nur emaillierte Haushaltswaren finden sich in der Ausstellung, in der an manchen Freitagen auch ein Direktverkauf erfolgt. Fast unübersehbar ist die Menge der Hausnummern und Straßenschilder, der langformatigen Tafeln für den Familiennamen oder für witzige Bezeichnungen.
chon holt Weber seine neueste Kreation, eine Schnapskelle, hervor: Das dreieckige kleine Metalltablett mit Griff und Fahrradklingel nimmt in sechs Vertiefungen kleine Stamper auf.
So unverwüstlich Emaillewaren vielleicht auch sein mögen, Weber ist sich sicher, dass das Interesse an solchen Nostalgieartikeln noch lange anhält. Er weiß von einem riesigen Sammlermarkt; und er hat noch genug Ideen für immer neue Produkte. Manchmal aber muss seine Aufmerksamkeit ganz ungeliebter Konkurrenz gelten. Deutschlandweit ist er zwar alleiniger Anbieter in diesem großen Umfang ("Dabei hätte ich gern Mitbewerber, mit denen ich mich messen könnte!"); aber die Bedrohung geht von Plagiaten aus, die vorwiegend in Fernost produziert werden. Weil er Firmennamen, Gegenstände und Dekore schützen ließ, ahndet er mithilfe eines Münchner Fachanwalts regelmäßig die illegalen Nachbildungen und deren Vertrieb.
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