1. Experimente mit Massen und Glasuren

    Bruni Lemme setzt ihre "Augenblickseinfälle" in individuelle Keramik um / Freitag und Sonnabend öffnet sie ihr Atelier für Interessierte

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    RODENBERG (al). Nur selten lässt sich Bruni Lemme auf die Finger schauen. Allein mit sich und ihren Rohstoffen ist sie in ihrer kleinen Werkstatt bei der Arbeit. Aus Ton formt sie den Rohling, bearbeitet seine Oberfläche oder versieht sie mit selbsthergestellten oder –eingefärbten Ton- und Porzellanmassen. Später ergänzt sie sie mit ebenfalls selbst angemischten Glasuren. Das hört sich einfacher an als es ist: "Wie oft bin ich schon enttäuscht worden", kommentiert sie die nicht gewollte Farbe oder Struktur nach dem Brennvorgang oder gar ein abgebrochenes oder geborstenes Teil. Denn die Rodenbergerin setzt ihre Ideen in Keramik um. Kleine Figuren werden zum Hingucker. Und die vermeintliche Blumenvase ist ein einmaliges Kunstobjekt.

    Kunst als "Abenteuer": Bruni Lemme mit einigen ihrer Arbeiten.

    Dabei wollen Oberflächen und Skulpturen die "Augenblickseinfälle" ihrer Schöpferin wiedergeben. Es sind oft Begriffe, die ihr in den Sinn kommen, die sie aufnotiert und die bald Formen annehmen. Da ist zum Beispiel der Bootsmann, der seinen Nachen mit einer langen Stange über eine vermeintliche Welle stakt und dem Lemme nur eine Bezeichnung hat geben wollen: "Übersetzer". Der "Herr der Ringe" steht als Büste mit Drahtspiralen in Schulter und Arm auf dem Regal. Und gerade hat die "Hauptrolle" den ersten proviorischen Zustand erreicht: Die Figut mir einem runden Etwas auf dem Kopf ist noch ein Rohling.

    "Die Ideen gehen mir wohl nie aus", glaubt die jetzt 71-Jährige, die schon als Kind liebend gern gemalt hat. Im Kreis von weiteren drei Geschwistern aber war das Geld für teure Zeichenblöcke knapp: "Ich habe auf den Rückseiten von Obsttüten gemalt", erinnert sich die zweifache Mutter. Und auch ein Kunststudium war in der Nachkriegszeit nicht drin. So ließ sich Lemme zur Industriekauffrau ausbilden. Bereut hat sie es nicht: "Ich habe diesen Beruf wirklich gern ausgeübt."

    Die Kunst aber wurde nicht vergessen. Erst waren es ab 1974 Kurse in Bildungseinrichtungen. 1979 folgten mit dem Einzug ins eigene Haus in Rodenberg Werkstatt und Atelier im Keller. 13 Jahre dozierte sie an der Volkshochschule Schaumburg; 1982 übernahm sie den Vorsitz des Vereins "Schaumburger Künstler". Viele Gruppen- und Einzelausstellungen hat es bisher mit den Kunstschaffenden aus der Region gegeben; jedoch auch etliche Einzelpräsentationen in Deutschland, Frankreich und Polen. Gelegentlich öffnet sie ihre Privaträume zu kleinen Ausstellungen - im Rahmen der "Offenen Ateliers" in Schaumburg.

    Nun will sie sich einmal ganz auf eigene Faust präsentieren. Am Freitag, 30. Mai, von 15 bis 18.30 Uhr sowie am Sonnabend und Sonntag, 31. Mai und 1. Juni, von 11 bis 18.30 Uhr erhalten bisherige "Kunden", Freunde und Interessierte Gelegenheit, sich mit der ganzen Breite ihres künstlerischen Schaffens vertraut zu machen und mit ihr ins Gespräch zu kommen. "Vielleicht kommen ja auch Neubürger, die meine Arbeit noch gar nicht kennen", hofft sie.

    Lemmes Keramikkunst sowie auch ihre Grafiken und Malereien fordern Staunen und Diskutieren geradezu heraus. Nicht, weil sich Abstraktes hinter Skulpturen oder auf weißem Papier verbirgt, sondern weil sie mit schlichten Formen und spannenden Oberflächen überzeugen. Dabei verrät das fertige Unikat nichts von den Mühen der Vorarbeiten – und von den Enttäuschungen der Künstlerin, weil die angerührte Masse sich nicht beständig bei der hohen Brenntemperatur erweist, Risse bildet oder die vorgesehene Glasur in ihrer Farbe zu blass oder zu aufdringlich wirkt. "Es sind meine eigenen Massen und Glasuren", macht Lemme deutlich und verrät, wie zum Beispiel dünner Stoff oder anderes durchlässiges Material für Strukturen sorgt oder wie nur ein flüchtig verlaufener Tropfen eine Oberfläche völlig verändert. "Für die Kunst braucht es Geduld", räumt sie ein, wenn die eigentlich gewollte Skulptur den heißen Ofen in Bruchstücken verlässt oder seine Glasur gerissen ist. Hat die neue Keramik aber ihr Vollkommenheit erreicht und wird als würdig angesehen, in die bereits vorhandene Anzahl von Arbeiten eingereiht zu werden, dann wartet schon ein neues "Abenteuer". So nennt Lemme selbst ihr künstlerisches Schaffen, das zwischen Haushalt und der weiteren großen Leidenschaft, dem Reisen mit dem Wohnmobil, den Alltag prägt. Nur zu gern lässt sie andere daran Anteil haben. Deshalb freut sie sich auf viel Besuch bei ihrem Wochenende mit dem "Haus der offenen Tür". Dass dann einige ihrer Arbeiten in andere Hände und damit in eine neue Umgebung gelangen können, ist durchaus gewollt. Aber Besuchern einen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen zu geben und ihnen etwas über das Experimentieren mit Ton- und Porzellanmassen sowie mit Glasuren zu verraten, ist ihr eigentlich sogar noch wichtiger. Foto: al

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