STADTHAGEN. Was genau ist Mobbing? Wen betrifft es, und wie können Erwachsene helfen? Diese Fragen hatten am vergangenen Montag Eltern und Lehrer in der Aula des Wilhelm-Busch-Gymnasiums zu einem Vortrag mit anschließender Podiumsdiskussion zusammengeführt. Einen aktuellen Anlass gebe es allerdings nicht, betonte eingangs Schulleiter Heiko Knechtel, vielmehr sei der Abend im Rahmen der Vorbeugung von Gewalt zu sehen.
"Mobbing kommt laut Statistik schwerpunktmäßig bei Kindern und Jugendlichen der Jahrgangsstufen sechs bis zehn vor", bestätigte Andrea Buskotte, Fachreferentin für Gewaltprävention von der niedersächsischen Landesstelle Jugendschutz, die Relevanz des Themas für Schule. In einem einführenden Vortrag wies sie darauf hin, dass Mobbing ein Modebegriff geworden sei, der häufig überstrapaziert werde. Der wissenschaftliche Mobbingbegriff bezeichne "aggressives Verhalten, mit dem ein anderer absichtlich über einen längeren Zeitraum hinweg körperlich oder psychisch geschädigt" werde. Auffällig sei, dass die meisten Mobbingopfer weder Eltern noch Lehrern von ihrer Qual erzählen würden, weil sie sich irgendwie mitschuldig fühlen würden oder nicht glauben würden, dass ihnen jemand helfen könne.
"Dabei dürfen wir Mobbing nicht als individuelles Problem begreifen", so Buskotte, "sondern müssen es als Prozess sehen, an dem die ganze Klasse beteiligt ist. Unbeteiligte gibt es bei Mobbing nicht." So seien selbst diejenigen, die nicht mitmachen würden und versuchen würden, sich herauszuhalten, an diesem Prozess beteiligt: "Indem sie sich nicht darum kümmern, signalisieren sie dem Opfer: Du bist mir egal, ich helfe dir nicht, das ist schon in Ordnung, was die anderen mit dir machen". Dementsprechend müsse das Problem auch mit der ganzen Klasse, und nicht etwa nur mit Täter und Opfer, aufgearbeitet werden. Auf keinen Fall sei es eine Lösung, das Opfer aus der Klasse zu nehmen, da so das Opfer bestraft werde und sich womöglich noch schuldig fühle, während die Täter sich bestätigt fühlen könnten, betonte Buskotte.
"Wenn Mobbingopfer nicht reden, wie merke ich dann, dass mein Kind betroffen ist?" So eröffneten die Eltern die anschließende Diskussion, wurden aber von Buskotte beruhigt: "Keine Angst, das merken Sie, zum Beispiel, wenn Sie den Eindruck haben, Ihr Kind hat keine Freunde mehr." Michael Panitz, Leiter des Kriminalermittlungsdienstes im Polizeikommissariat Stadthagen und gleichzeitig Elternvertreter am Wilhelm-Busch-Gymnasium, wies darauf hin, dass die Hemmschwelle, Mobbing zu betreiben, durch die heutige Technik gesunken sei. Zu einer gemeinen Sms oder einem Eintrag auf einer Internetseite seien viele eher bereit als zu offener Auseinandersetzung, weil sie zunächst anonym bleiben könnten. Es erleichtere den schwierigen Prozess der Aufarbeitung, wenn die Kinder wüssten, dass die Klassenelternschaft ebenfalls über das Problem spreche, berichtete die Vorsitzende des Schulelternrats Cornelia Pönnighaus aus ihrer Erfahrung mit vergangenen Konflikten. Die Verantwortung für das Bekämpfen und Verhindern von Mobbing liege nicht bei einzelnen Lehrern, betonte Buskotte abschließend, sondern sei Aufgabe der gesamten Schule. Vorbeugung von Gewalt finde am Wilhelm-Busch-Gymnasium bereits statt, ergänzte die Vertrauenslehrerin der Schülervertretung, Heike Tiedemann: "In Jahrgang fünf erarbeiten die Kinder gemeinsame Verhaltensregeln, deren Einhaltung sie selbst immer wieder überprüfen. In Jahrgang sechs folgt ein verpflichtendes Sozialtraining, in dem sie lernen, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen, alternative Reaktionen auf Konflikte ausprobieren und ihr Selbstvertrauen erweitern." Foto: privat