ROLFSHAGEN (km). Nach dem "Traditionsbruch", wie es Kreisvorsitzender Ernst Kastning bei der letzten Versammlung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bezeichnet hatte, trafen sich die Mitglieder des Kreisverbandes jetzt abermals bereits nach zwei Jahren. Kastning selbst hatte darauf gedrängt, die Versammlung statt im statusgemäßen Vier-Jahres-Rhythmus ab sofort in Zwei-Jahres-Intervallen einzuberufen. Im nächsten Jahr wird es vermutlich sogar eine "Sonder-Kreiskonferenz" geben, weil auf der letzten Bundesversammlung in Magdeburg eine komplette Neustrukturierung beschlossen wurde, die auch erhebliche Auswirkungen auf die Kreisebenen zeitigen wird.
Als Folge befürchtet Ernst Kastning einen substanziellen Verlust an Arbeitsaufgaben für kleinere Kreisverbände, einen Abbau von örtlichen Verantwortlichkeiten für die AWO-Dienstleistungen sowie mangelnde Ortsnähe der Angebote: "Die Anreize für eine Mitgliedschaft und für die Übernahme eines Ehrenamtes könnten sinken - und eventuell letztlich sogar die Existenzfrage von Kreisverbänden aufwerfen." -
In seinem Geschäftsbericht in der "Süßen Mutter" erinnerte Kastning an die Schwerpunkte der Arbeit des Vereins in den vergangenen beiden Jahren, an die Beratungen und Entscheidungen zur finanziellen Sicherung der diversen Aktivitäten, zu den Wirtschaftsplänen sowie besonders zu den Veränderungen der Aufgabenfelder. In Stadthagen ist die AWO seit 2006 am Familienzentrum beteiligt. Die Initiative dazu ging von der Stadt aus. "Wir sind von dem von Stadt, AWO und Kinderschutzbund gemeinsam erarbeiteten Konzept für diese Einrichtung überzeugt," betonte Kastning - und fragte gleichzeitig, ob "Gleiches oder Ähnliches" nicht auch für andere Städte von Interesse sein könnte. Die AWO jedenfalls wäre grundsätzlich zur Kooperation bereit.
Seit dem letzten Oktober ist der Kreisverband Träger eines ambulanten Palliativberatungsdienstes (Sterbebegleitung) und eines vom Land Niedersachen anerkannten und finanziell geförderten Stützpunktes. Die bisherige Erfahrung zeige, so Kastning, dass Beratungsbedarf vorhanden sei und vermutlich sogar ansteigen werde. Über die eigenständigen Aktivitäten hinaus regte Kastning an, zu prüfen, "inwieweit Ortsvereine und Kreisverband gemeinsam in Bereichen tätig werden können, die strukturell nicht allein organisiert und wirtschaftlich getragen werden können, aber zunehmend an Bedeutung gewinnen." Von den höheren Verbandsebenen werden derartige Angebote als "Netzwerk" organisiert. Als ersten Schritt hat der Kreisverband Gesellschaftsanteile an der neuen "Seniorenservice GmbH" der norddeutschen AWO-Bezirke erworben und seine Mitwirkung beschlossen.
Zu den weiteren Neuerungen im Tätigkeitsfeld zählt auch die im November ins Leben gerufene Aktion "Für mehr Menschlichkeit - Die AWO-Stiftung Schaumburg". Nach dem Segen von Innenministerium und Finanzamt müsse man jetzt allerdings, so Kastning, "gemeinsam an einer weiteren Erhöhung des Stiftungsvermögens arbeiten, damit die Stiftung aus dem Ertrag mit Erfolg Gutes tun kann". Zu den "Sorgenkindern" der AWO zählt weiterhin die Mitgliederbewegung. Nach anfänglichen Zuwächsen vor drei Jahren, rechnete Ernst Kastning vor, sei die Entwicklung zuletzt wieder leicht rückläufig gewesen. "Das würde bei anhaltendem Trend," befürchtet der Vorsitzende, "substantielle Folgen für die sozialpolitische Wirkungskraft der AWO und ihre Tätigkeit haben." -
Geschäftsführerin Heidemarie Hanauske rekapitulierte in ihrem Rechenschaftsbericht noch einmal detailliert die konkreten Leistungen der AWO in den vergangenen beiden Jahren. Die Bemühungen galten dabei nach wie vor in erster Linie den benachteiligten Menschen. Viele bekamen kompetente Hilfe von den sozialen Diensten oder wurden an andere zuständige Gesprächspartner vermittelt. Auf dem Programm der AWO standen unter anderem Mutter-Kind-Kuren, Schwangerschafts-Konfliktberatung oder Beratungen in Sachen Integration und Migration. Besondere Erwähnung fand die Jugendberufshilfe, die arbeitslosen Jugendlichen Unterstützung für die Schritte in Ausbildung und Arbeitsmarkt vermittelt.
Dabei gingen die ehrenamtlichen Awo-Mitarbeiter zu den Jugendlichen, zum Beispiel in Schulen und Jugendtreffs. "So können wir auch jene erreichen," betonte Heidemarie Hanauske, "die wegen Frustrationen und Perspektivlosigkeit ein Beratungsangebot von sich aus nicht in Anspruch genommen hätten."Kritik übte die Geschäftsführerin in dem Zusammenhang an der Tatsache, dass die Wohlfahrtsverbände neuerdings von den entsprechenden Landesprogrammen ausgeschlossen seien: "Die Tendenz, die freien Träger vor Ort nicht mehr direkt auf der Landesebene mit einzubinden, scheint zum System geworden zu sein, das wir auch an anderer Stelle erleben." Dadurch gehe "nicht nur die Kenntnis von Problemstellungen von vor Ort verloren, sondern auch ein Teil von Bürgernähe." -
Beim Tagesordnungspunkt Wahlen wurde schließlich der komplette geschäftsführende Vorstand einstimmig im Amt bestätigt. Einige Änderungen gab es allein im Beirat: Jürgen Lingner und Margarethe Stüber (die für 25-jährige Aktivität in ihrem Ortsverbands-Vorstand extra geehrt wurde) schieden aus, neu gewählt wurden Renate Beu, Helma Hartmann-Grolm und Grit Schmidt.
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