1. Geburt mit Glocke und Zange des ersten Doppik-Haushalts

    Beschluss gefasst / Acht Ratsmitglieder stimmen gegen den Haushalt / Zwischen Pest und Cholera

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    RINTELN (ste). In der Hebammensprache hätte man bei der Geburt des Haushaltes 2008 sicher mit "Zange und Glocke" arbeiten müssen und entsprechend schwer war auch der Vorgang an sich. Ratsvorsitzender Dr. Dietmar Nolting zitierte das Schaumburger Wochenblatt, das titelte "Die Haushaltskuh ist vom Eis" und merkte an: "Auf dem grünen Rasen ist sie allerdings noch nicht!" Der Haushalt ist für das kommende Jahr in Rinteln erstmals nach doppischen Gesichtspunkten aufgestellt und satte 800 Seiten stark. Stadtkämmerin Cornelia Budde, die sich mit ihrem Team mächtig ins Zeug gelegt hatte, um zum einen den Haushalt aufzustellen und zum anderen diesen den Ratsmitgliedern zu erklären, warb um Vertrauen in das Zahlenwerk und stellte fest: "Die Doppik bringt auch nicht mehr Geld in die Kassen!" Und so bleibe für die Politik die einfache Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen einer weiteren Erhöhung der Kreditaufnahme oder Anhebung der Steuersätze. Die Steuererhöhungen beschlossen die Ratsmitglieder dann auch, jedoch moderater als ursprünglich geplant, denn Streichungen im Haushalt reduzierten dessen Investitionsvolumen um rund 1,3 Millionen Euro.

    Mehr Einsparungen

    müssen möglich sein

    Keine neuen Schulden!

    Wohnen im Wasser

    verschleudert Geld

    Fehlende Kennzahlen

    und klare Ziele

    Für Klaus Wißmann ist der Haushalt praktizierte Politik: "Wir haben seit Jahren familien- und kinderpolitische Akzente gesetzt!" Er zeuge vom guten Miteinander von Rot-Grün und auch von ordentlicher Kooperation mit der CDU. Deftige Schelte gab es trotz Vorweihnachtszeit für die "Nein-Sager-vom-Dienst", der WGS. "Mit solchen Kollegen können wir nicht konstruktiv zusammen arbeiten", schimpfte Wißmann in Richtung von Neuhäuser und Sasse. Rinteln habe durch die schnelle Einführung der Doppik hier in einigen Jahren die Nase vor anderen Gemeinden und der Haushalt werde auf Dauer transparenter. Gemeinsam habe man im Finanzausschuss den Kunstrasen am Steinanger gestrichen, dem sich positiv entwickelnden Reitverein einen Zuschuss zur Sanierung zugesprochen und auch die Ortsteile nicht vergessen. Den Einzelhandel gelte es weiter zu stärken (unter anderem mit dem Kloster-Karree) und von der angeschlagenen EWR fordere die Stadt Rinteln für die E-Guider 40.000 Euro zurück. In der Verwaltung sind im kommenden Jahr 3,25 Stellen weniger im Ansatz: "Wir müssen hier nur aufpassen, dass die Leistungen für die Bürger darunter nicht leiden!"

    Als Fraktionsführer der Gruppe FDP/CDU dankte Dr. Marc Lemmermann zuerst einmal für die gemeinschaftliche und kontruktive Zusammenarbeit mit der SPD und den Grünen im Rat und richtete seinen Dank auch an Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz. Dann sparte er jedoch nicht mit Kritik. Die freiwilligen Leistungen der Stadt gehörten auf den Prüfstand (auch zum Beispiel die Hallengebühren bei Nutzung durch Erwachsene, so Günther Maack) und die Devise müsse lauten: "1. Einsparungen wo möglich - 2. Einnahmeerhöhungen wenn nötig!" Lemmermann kritisierte die Abschreibungsfristen, die scheinbar willkürlich gewählt wurden, um den Haushalt zu entlasten. Die fehlende Eröffnungsbilanz und das fehlende Straßenkataster kreidete er der Verwaltungsspitze als Fehler an.

    Eine klare Haltung hatte Ursula Helmhold zum Haushalt: "Er wird dem gerecht, was wir noch leisten können! Mit mir wird es keine neuen Schulden geben!" Große Anstrengungen habe Rinteln bei der Verbesserung der Kinderbetreuung geleistet. Dennoch werde es keinen Betreuungsluxus geben und der Spielkreis in Uchtdorf werde schließen (wurde im Rat anschließend so beschlossen!). Der Spielkreis in Krankenhagen könnte folgen. Für die Vereine am Steinanger werde es nur das Notwendigste geben: "Kein Verkauf des Steinangers, keine oppulente Ausstattung der Vereine; so einfach ist das!"

    Sie forderte mit Nachdruck ein Vereinskataster mit Anzahl von Mitgliedern, aufgeschlüsselt nach Jugendlichen und Kindern, Frauen und Männern. "Derzeit gibt es ein Gerechtigkeitsdefizit bei der Bezuschussung von Vereinen!" Ihren Rats-Nachbarn von der WGS erteilte sie eine Schelte: "Die PBF - Populistische-Blockade-Fraktion - wird sicher auch gegen diesen Haushalt sein!" Recht hatte sie, doch Gert Armin Neuhäuser begründete ohne Emotionen auch warum.

    Groteske Abschreibungsfristen und eine fehlende Gradlinigkeit bei der CDU waren die Haushaltskritikpunkte Nummer eins bei der WGS. "Haushaltswahrheit und -klarheit sehen nach unserer Lesart anders aus", so Neuhäuser, der seinen Kollegen der CDU vorwarf, die seien wortbrüchig geworden: "Vor vier Wochen noch sollte es mit Ihnen keine Steuererhöhungen geben!" Der WGS fehlen vor allem wirtschaftspolitische Akzente im Haushalt und für die Innenstadt gab Neuhäuser zu bedenken: "Sie müssen Geschäfte nicht nur ansiedeln, sondern bestehende auch pflegen!" Ansonsten sei Rinteln bald die Stadt der Apotheker, Optiker und Telefonläden. Das Planungsgeld für die Bebauung des Steinangers sah Neuhäuser als rausgeworfen an: "Wohnen im Wasser?" "Dampfplauderei" gar warf Heinrich Sasse den Kollegen der CDU vor, wenn man der WGS vorwerfe, sie wende sich gegen Stadtentwicklung: "Wir sind seit zwölf Jahren dabei, ein Stadtentwicklungsprogramm zu fordern; ohne Erfolg!"

    25 Posten im Haushalt habe er sich von der Stadtkämmerin erklären lassen und sich dabei gewundert, dass die anderen Ratskollegen offensichtlich völlig fragenlos den Haushalt verstehen, sagte Paul E. Mense, der die Frage nach der Verursachung des Haushaltsloches stellte. "Wir brauchen Kennzahlen und müssen der Verwaltung klare Ziele definieren", so Mense, der eine neue Aufgabenstruktur für die Verwaltung forderte. "Auf lange Sicht brauchen wir mehr als nur das jährliche Abnicken der Haushaltszahlen!"

    Bei der anschließenden Abstimmung votierten acht Ratsmitglieder von CDU und WGS gegen den Haushalt.

    Thomas Fricke von der SPD enthielt sich der Stimme, was ihm unmütiges Raunen in den eigenen Reihen einbrachte. Fricke stimmte auch gegen eine Ausweitung der nächsten Maimesse: "Das schadet den Geschäften der Stadt!"

    Foto: ste

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