1. Sternenklar, in der Mitte von nirgendwo

    Micha Steinwachs zieht es für knapp ein Jahr als Austauschschüler nach Indien / Ein Bericht / Schüler des Ratsgymnasiums erlebt große Abenteuer

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    LINDHORST (ih). Indien hat sich seinen Bewohner auf Zeit selbst ausgesucht. Denn eigentlich sollte es für Micha Steinwachs zum Austausch nach Kanada gehen. Da war aber kein Platz mehr frei und Micha saß quasi auf gepackten Koffern. Indien oder Mexico, die alternativ Entscheidung hatte in wenigen Stunden zu stehen. "Das war für mich ein Land mit einem fetten Fragezeichen", gesteht Micha Steinwachs. Und doch zog es den Schüler in das riesige Land, in dem "krass viele Menschen leben".

    Mit den "Chappals", indischen Sandalen, an den Füßen hat Micha Steinwachs so manche Reise durch Indien unternommen.

    Der damals 16-Jährige war zunächst erschrocken über die Fülle in den Städten. "Der mit der lautesten Hupe gewinnt", erklärt Micha das Treiben auf den Straßen Bombays bei seiner Ankunft.

    Insgesamt zehn Monate lebte Micha Steinwachs in zwei Familien in Amravati, einer Stadt mit 500000 Einwohnern auf einer Fläche mit der Größe von Stadthagen. Nicht nur die offensichtliche Armut fiel dem Lindhorster auf Schritt und Tritt ins Auge. Auch das Leben, Lernen und Lachen der Inder waren neu für den Lindhorster. Erst nach einem halben Jahr habe er die Mentalität und das Selbstverständnis dieses für ihn fremden Landes verstanden. Vieles sei geprägt durch religiöse Hintergründe. "Wenn da eine Kuh auf der Straße liegt, dann fahren alle drumherum", schildert Micha Steinwachs eine für ihn damals ungewohnte Situation.

    Als er nach einem Jahr ins heimische Lindhorst zurückkehrte waren es andere Situationen, an die er sich wieder gewöhnen musste. Sich einer Autorität zu Hause unterordnen zu müssen, war schwierig. "Begleitetes Fahren mit Mama für den Führerschein mit 17" habe ihm gar nicht gefallen. "Ich bin in Indien ohne Helm mit dem Motorrad durch die Stadt gefahren."

    Allgemein scheint es, als habe ihm der Aufenthalt gut getan. Er spricht gut Englisch, versteht und spricht sogar ein wenig Hindi. Selbstbewusst berichtet er von seinen persönlichen Abenteuern, die er auf vielen Reisen durch das "faszinierende Land" erlebt hat.

    Gemeinsam mit einem anderen Austauschschüler habe er auf einer Tour spontan überlegt, ans Meer zu fahren. Ein für europäische Verhältnisse gewagtes Unterfangen. Denn die beiden jungen Männer reisten mit dem Überlandbus mehrere hundert Kilometer und übernachteten in einem ungemütlichen Zimmer. "Aber es war günstig und wir konnten uns das leisten", spielt Micha Steinwachs auf die finanziellen Unterschiede an. Auf dem Rückweg erlitt der Bus einen Motorschaden, "um uns herum nur Land und Berge". Mittendrin zwei Austauschschüler mit ihren Rucksäcken, einer Trommel und einer Gitarre. Nach stundenlangem Warten entschieden sich die Beiden für das wohl größte Abenteuer ihres Aufenthalts. "Wir haben den Daumen rausgehalten und ein Truck hat uns mitgenommen." Viele Menschen drängten sich auf der Ladefläche und im Führerhaus, denn das Trampen ist die billigste aber auch die gefährlichste Art zu reisen. "Da hatte ich ein bischen Angst", gibt Micha Steinwachs rückblickend zu. Zumal verunfallte Trucks am Straßenrand auf die technischen Gegebenheiten schließen ließen.

    An den ersten Stop erinnert sich Micha Steinwachs deutlich und bekommt beim Erzählen ein Glänzen in den Augen: "Es war sternenklar, in der Mitte von nirgendwo". Direkt über dem Führerhaus seien die beiden dann auf das Dach geklettert. "Wir haben uns hingelegt und sind unter einem gigantischen Sternenhimmel zurückgefahren."

    Mit der Schule in Indien hatte Micha Steinwachs hingegen echte Probleme. Das System aus Frontalunterricht, Auswendiglerenen und Abrufen von Fakten unterscheide sich drastisch vom Unterricht in Deutschland. Die ersten Wochen habe Micha noch versucht, am Schulleben teilzunehmen, jedoch bald das Handtuch geschmissen. Die elfte Klasse wiederholt er derzeit in Deutschland nocheinmal. Doch bis er sich zu diesem Entschluss durchgerungen hatte, habe es lange gedauert.

    Deswegen kann Micha Steinwachs keine uneingeschränkte Empfehlung für Indien als Austauschland geben. Wer nach dem Jahr im Ausland in die Oberstufe einsteigen will, solle sich genau überlegen, ob er mit dem Schulsystem zurecht komme. "Die Erfahrung ist es aber wert, sich in eine andere Kultur einzuleben. Das war unbeschreiblich." Foto: ih

    Micha Steinwachs zeigt ein Foto von sich und seiner Gastfamilie bei der Ankunft in Indien. Seitdem hat sich viel bei dem Lindhorster Schüler verändert.

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