STADTHAGEN (ih). Mehr als 60 Zuhörer haben am vergangenen Donnerstag den Vortrag "Religiöser Fundamentalismus und Politik der USA" verfolgt. Die Schaumburger Deutsch-Amerikanische Gesellschaft hatte dazu Prof. Dr. Dr. Brocker eingeladen, der in einem einstündigen Vortrag mit einigen Vorurteilen aufräumte.
Der derzeitige Präsident der Vereinigten Staaten werde in Europa zumeist dann kritisch wahrgenommen, wenn er patriotische religiös eingefärbte Reden halte. Deutsche aber auch französische Intellektuelle verglichen George W. Bush mit einem christlichen Ayatollah, der ehemalige Fernsehpastor Jürgen Fliege bezeichnete ihn als "falschen Propheten".
Brocker vermittelte in drei Teilen einen historischer Hintergrund, erklärte den Unterschied zwischen konfessioneller Religion und Zivilreligion und analysierte die Bedeutung der "fundamentalistischen christlichen Rechten".
Zunächst griff Us-Experte und Politologe zurück in das 17. Jahrhundert, in dem eine biblisch geprägte Rhetorik entstanden sei. Die Puritaner seien nicht als Flüchtlinge sondern als Pilger nach Amerika gekommen. Amerika sei "Gods own Country" gewesen.
Daraus habe sich ein moralisch geprägtes, demokratisches Sendungsbewusstsein in die ganze Welt entwickelt. Denn das Rechtsstaatliche Verständnis sollte universelle Geltung bekommen. Eine strikte Trennung von Staat und Kirche sei damals entstanden.
Im zweiten Teil zeigte Brocker auf, dass die amerikanische Gesellschaft bis heute stark fragmentiert sei. Zusammenhalt entstehe nur durch wirtschaftlichen Austausch. Dennoch teilten alle Bürger erkennbar eine gemeinsame Glaubenslehre.
Diese Zivilreligion beinhaltet Rituale, die die Bürger an den Staat binden. Zivilreligiöse Feiertage sind zum Beispiel der 4. Juli oder Thanksgiving.
Zivilreligion sei in den USA nur möglich, weil es keine Staatsreligion gebe, so Brocker. Der öffentliche Raum werde von konfessioneller Religion frei gehalten. In Amerika gilt die persönliche Freiheit der Religionsausübung.
Zivilreligion wird durch Reden der obersten Repräsentanten lebendig gehalten. Ronald Regan, Abraham Lincoln gehören zu den "Hohepriester der Zivilreligion".
Auch George W. Bushs Reden haben hohe Anleihen an Rhetorik der Zivilreligion.
Erst zum Ende seines Vortrags ging Brocker direkt auf die Frage ein, ob George W. Bushs Politik über die zivilreligiösen Züge hinaus beeinflusst sei. Dazu beleuchtete Brocker die "Fundamentalistische Christliche Rechte". Diese Gruppe von Evangelikalen sei ein große Block, die als Wähler für den Präsidenten (bis hinunter zu kommunalen Ämtern) wichtig sind. Seit den 1970er Jahren seien diese wieder stärker durch die Fernsehprediger vertreten. Die Evangelikalen würden sich zurück zur wörtlichen Auslegung der Bibel besinnen, seien gegen Abtreibung und gegen die Homoehe.
Bush habe in den Wahlzeiten diese Themen angeschnitten, aber nicht durch den Kongress gebracht. Seine Rhetorik, die in Europa als fundamentalistisch geprägt ankommen sei ein strategisches Reden. Denn der Präsident könne sich den Verlust der Stimmen der Nicht-Evangelikalen nicht leisten. Seit dem 11. September 2001 gäbe es in Amerika mit dem Islam ein neues Feindbild. In seinem Fazit kam Brocker zu dem Schluss: "Es geht Bush nicht darum, die Bibel nach Bagdad zu bringen." Nicht desto trotz brauche er für seine Politik immer die deutliche Mehrheit im Land und müsse die verschiedenen Flügel unterschiedlich ansprechen.
Im Anschluss an den Vortrag nahm sich Prof. Dr. Dr. Brocker Zeit für Detailfragen. Foto: ih