1. Wie entsteht ein Medikamentenengpass?

    CDU-Seniorenunion Bückeburg informiert sich

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    Ruth Harmening, Vorsitzende der Senioren-Union Stadtverband Bückeburg, konnte sich über einen voll besetzten Le Theule-Saal im Bückeburger Ratskeller freuen. Für die zwei interessante Themen des Nachmittages, hatte sie den Apotheker Günter Schwarz, Inhaber der Schlossapotheke, eingeladen. Der Fachmann gab zunächst Einblicke in die Problematik von Medikamentenengpässen und wie diese entstehen. In einem zweiten Teil seines Vortrages erklärte er, wie das Elektronische Rezept (E-Rezept) funktioniert. Dieses ist ab dem 1. Januar 2024 vorgeschrieben (Das Schaumburger Wochenblatt berichtet darüber in seiner nächsten Ausgabe). Schwarz erklärte zu Beginn den Unterschied zwischen einem Lieferengpass, der entsteht, wenn ein Präparat über mindestens zwei Wochen nicht bedient werden kann und einem Versorgungsengpass, wenn auch keine Alternativpräparate zur Verfügung stehen. Im Wesentlichen haben in Deutschland verschiedene gesetzliche Vorgaben und die damit verbundenen Preisgrenzen und Rabatte für Krankenkassen, zu einer Reihe von Lieferengpässen geführt. Seit 2007 existiert ein Rabattvertrag zwischen gesetzlichen Krankenkassen und einzelnen Pharmaherstellern. Der Hersteller garantiert der Kasse einen bestimmten Rabatt, dafür versorgt die Krankenkasse ihre Patienten nur mit deren Präparaten. Die Apotheken müssen verordnete Arzneien grundsätzlich gegen die günstige Variante austauschen. Der Patient kann natürlich immer den Unterschiedsbetrag zu einem anderen, verordneten Medikament bezahlen. Seit dem Jahr 1989 existiert eine Vorschrift, in der etwa 80 Prozent der verschreibungspflichtigen Medikamente mit einem Festbetrag belegt sind, den die Kassen maximal dafür zu bezahlen haben. Diese Festbeträge werden durch einen Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bestimmt. 10 Mitglieder der Hersteller und der Kassen sowie drei Unabhängige machen den Ausschuss aus. Apotheker Schwarz beschrieb weitere Vereinbarungen, zum Beispiel den Apothekerabschlag, bei dem die Krankenkassen einen Abschlag für Fertigarzneien in Höhe von 1,77 Euro bis zu zwei Euro erhalten. Mit einem Hinweis darauf, dass die folgende Information gar nicht so gern in der Öffentlichkeit gesehen wird, schätzte der erfahrene Apotheker die Einsparungen durch Rabattverträge der circa 150 Krankenkassen mit etwa 39.000 aktuellen Rabattverträgen auf ungefähr 5,5 Milliarden Euro im Jahr. Alle zwei Jahre werden neue Verträge ausgehandelt. Nach dieser Übersicht der Preisgestaltung fasste der Fachmann mögliche Ursachen für Lieferengpässe zusammen. So sind kurzsichtige Ökonomisierungen der Arzneistoff-Herstellung verantwortlich, wenn plötzlich die erforderlichen Mengen nicht mehr hergestellt werden können. Eine Konzentration auf zu wenige - oftmals ausländische - Hersteller verursacht manchmal einen Engpass. Weitere mögliche Ursachen sieht Schwarz im hohen Preisdruck mit den Abschlägen und den geforderten Rabatten in Deutschland, Qualitätsproblemen und Produktionsausfällen am globalen Markt, kritischen Lieferkettenbrüchen durch Pandemie und labile Lieferwege, keine flexible Anpassung der Preisbildung an gestiegene Kosten und letztendlich einen stetig wachsenden Bedarf an Medikamenten in Schwellenländern sowie durch Hamsterkäufe.
    Seit 2017 werden Meldungen zu Lieferengpässen in einem Bundesamt gesammelt. In dem Jahr wurden 108 Einzelfälle registriert, im Jahr 2022 bereits 666 Lieferengpässe. Mit einer Reihe von Einzelbeispielen rief Schwarz bei vielen der circa 60 Besucher der Veranstaltung eigene Erinnerungen wach. "2018 wurde "Valsartan" weltweit zurückgerufen, weil bei der Herstellung in China krebserregende Nitrosamine in das Medikament gelangt waren. Untersuchungen hatten ergeben, dass der Nitrosamin-Gehalt einer Tablette dem von Zehn bis Zwölf Zigaretten entsprochen hatte. Im Winter 2022 wurde Iboprofen- und Paracetamolsaft für Kinder knapp. Aufgrund massiver Preissteigerungen bei Rohstoff und Verpackung, hatten sich mehrere Hersteller zurückgezogen. Erschwerend kamen Hamsterkäufe aufgrund der starken Erkältungswelle hinzu. In diesem Jahr konnte der Markt nicht mit bestimmten Diabetesmitteln beliefert werden. Als Grund gab Schwarz an, dass das Mittel wegen positiver Wirkung zur Gewichtsreduktion massiv nachgefragt wurde und der Hersteller nicht genügend produzieren konnte. Mit einem Schmunzeln, auch bei den Zuhörern, kam Günter Schwarz zum Ende auf mögliche Lösungen. Ausgelöst wurde die Heiterkeit durch eine Gesetzes-Wortschöpfung: Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs - und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG). Zusammengefasst sollen die Preisregeln für Kinderarznei gelockert werden, die Anbietervielfalt innerhalb der EU sollte bei Produktion innerhalb der Union vergrößert werden. Apotheker sollten mehr Möglichkeiten erhalten, ein wirkstoffgleiches Medikament abgeben zu dürfen. Pharmazeutische Unternehmen sollen verpflichtet werden, rabattierte Arzneien mindestens für sechs Monate vorrätig zu halten und schlussendlich soll ein Frühwarnsystem zur Erkennung von Lieferengpässen eingerichtet werden. Nach der Beantwortung einiger Detailfragen, wandte sich Günter Schwarz dem Thema E-Rezept zu.

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