1. Jüdische Gemeinde Schaumburg seit 20 Jahren aktiv

    Zentralen Platz zum Jubiläum in Dr.-Ernst-Blumenberg-Platz umbenannt

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    Das Interesse am zwanzigsten Kulturtag der Jüdischen Gemeinde Schaumburg, anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens, war so groß, dass die Plätze im Saal der Bad Nenndorfer Wandelhalle bei weitem nicht ausreichten. Selbst im vorgelagerten Foyer- und Ausstellungsbereich standen Gäste, um die Ansprachen zu verfolgen, die die Bedeutung der jüdischen Gemeinde und das gute Miteinander sowie das Engagement der Vorstandsmitglieder Ludmila Nekrasova und Marina Jalowaja, gemeinsam mit vielen Ehrenamtlichen, in und für die Gesellschaft hervorheben. Bürgermeisterin Marlies Matthias nahm aus diesem Anlass im Namen der Stadt die Neubenennung des "zentralen Platzes von Bad Nenndorf" vor, wie sie betonte. "Der Platz zwischen Haus Kassel, dem alten Kurhaus und neuem Geschäftshaus sowie dem Springbrunnen heißt jetzt offiziell Dr.-Ernst-Blumenberg-Platz." Dr. Ernst Blumenberg war ein Arzt jüdischen Glaubens, der von 1920 bis 1939 in Bad Nenndorf lebte und praktizierte. Wegen der Liebesbeziehung mit einer Christin als Rassenschänder denunziert, wurde er von der Gestapo Anfang 1937 verhaftet und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Entlassung 1939 gelang ihm die Flucht nach Shanghai, wo er Asyl fand. 1948 emigrierte er von dort in die USA. Hier arbeitete er über zwanzig Jahre als Mediziner an verschiedenen Krankenhäusern und verstarb 1973 an einem Herzinfarkt. Ein Stolperstein erinnert an seine Praxis in der Hauptstraße 14.
    Weitere Informationen können direkt am Straßenschild unter anderem durch den Aufruf über einen speziellen QR-Code erfahren werden. "Dieser Platz ist ein Schnittpunkt zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ein zentraler Platz, ein Mittelpunkt, eine neue Mitte von Bad Nenndorf", so die Bürgermeisterin in ihrer Ansprache. Und weiter: "Wir brauchen eine Gestaltung für Frieden, Freiheit und Demokratie, was mir sehr am Herzen liegt." Mit der Einweihung des Platzes in Verbindung mit dem Gedenken an den jüdischen Arzt, könne sie vielleicht "einen kleinen Beitrag dazu leisten".
    Ludmila Nekrasova hat die Jüdische Gemeinde vor 20 Jahren gegründet und leitet sie seitdem. Sie freute sich sichtlich über die vielen Gäste aus dem gesamten Schaumburger Land und aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Michael Fürst, Präsident des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen und Schirmherr des Kulturfestes bedauerte sehr, dass er nicht teilnehmen konnte, wie er durch ein Grußwort über Nekrasova mitteilen ließ. Als er vor 42 Jahren den Vorsitz übernommen habe, hätte er sich nicht träumen lassen, dass es "wieder jüdische Gemeinden mit rund 8.000 Mitgliedern in ganz Niedersachsen geben würde". Dies zeige, "dass die Nazis es in Deutschland nicht geschafft haben, das Judentum zum Erliegen zu bringen", so Fürst.
    Jörg Farr als Landrat Landkreis Schaumburg, Mike Schmidt als Samtgemeindebürgermeister, Martin Runnebaum als Superintendent sowie Dietmar Buchholz vom Verein "Bad Nenndorf ist bunt", beglückwünschten die Jüdische Gemeinde zu ihrem Jubiläum und hoben jeweils das gute Miteinander hervor.
    "Wir haben hier von Null wieder angefangen", hob Ludmila Nekrasova im Interview gegenüber dieser Zeitung hervor. Die Gemeinde bestünde zu hundert Prozent aus Personen jüdischen Glaubens aus der ehemaligen Sowjetunion. "Wir haben die Gemeinde mit dem Ziel gegründet, uns zu etablieren, um ganz offen auf die deutsche Bevölkerung zuzugehen und so im übertragenden Sinne sagen zu können: wir sind da. Wir waren mal hier und wir sind da." Um das Ziel, die Umbenennung des Platzes zu erreichen, seien Jahre vergangen, schildert sie.
    "Wir haben das erkämpft. Ich bin sehr glücklich darüber. Er ist eigentlich nicht nur dazu da, um an Doktor Blumenberg zu erinnern, sondern auch zu zeigen, dass die Deutschen sich auch daran erinnern, an das, was passiert ist. Und er zeigt außerdem, dass sie damit einverstanden sind, dass er diese Namensgebung des Platzes verdienst hat."
    Inzwischen verfügt die Jüdische Gemeinde in Bad Nenndorf auch wieder über einen Gebetsraum. "Eine Synagoge können wir uns nicht leisten. Auch einen Rabbi können wir uns nicht leisten. Daher kommt immer wieder ein sogenannter Wanderrabbi zu uns", so die Vorsitzende. Die Räumlichkeiten sind nicht als solche nach außen erkennbar. Ganz bewusst, wie sie erklärt. "In den letzten Jahren ist wieder der Antisemitismus präsent. Die Polizei ist in der Nähe und somit an unserer Seite, um uns zu beschützen. Worüber ich glücklich bin. Wir gehen nicht von Übergriffen aus, sonst wäre unser Leben hier gar nicht möglich. Wir haben ältere Leute, die den Holocaust überlebt haben. Ich möchte nicht, dass irgendetwas passiert.
    Nur für die, die explizit etwas gegen uns unternehmen wollen, existiert kein Hinweisschild am Haus." Sie hätten schon erlebt, dass Schweinewurst in den Briefkasten geworfen sowie ihre Türen und Fenster mit Hakenkreuzen beschmiert wurden. "Aktuell nicht", betont sie.
    Insgesamt 118 Mitglieder gehören derzeit zur Schaumburger Gemeinde. Die Älteste ist 95 und die Jüngste zwei Monate alt.
    Seit 20 Jahren werde zum Kulturfest geladen, um die jüdische Kultur vorzustellen und mit Nichtjuden ins Gespräch zu kommen, erklärt Ludmila Nekrasova. "Wir möchten dadurch Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft erleichtern und fördern. Man spricht viel über den wichtigen interkulturellen Dialog. Wir versuchen ihn zu leben." Dass Interesse an der jüdischen Kultur sei im Laufe der Jahre sowohl bei Juden als auch bei Nichtjuden gewachsen, stellt sie fest.
    Um gleich praktisch zu werden und ins Gespräch zu kommen, bot die Ausstellung "Jüdisch und christlich - Näher als Du denkst", anlässlich der Jubiläumsfeier einen erfrischenden und belebenden Rahmen, in die Dr. Ursula Rudnik, als Beauftragte für Kirche und Judentum im Haus kirchlicher Dienste der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, einführte. Rabbiner Jona Simon stand hierbei unter dem Motto "Frag den Rabbi" zur Verfügung. Für einen besonders kulturellen Abschluss der Jubiläumsfeier sorgte das Kammerensemble Jüdischer Musik, unter Leitung von Naum Nussbaum.

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