1. Ärztinnen und Ärzte arbeiten am Limit

    Agaplesion ev. Klinikum Schaumburg fordert weniger Bürokratie

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    LANDKREIS (mk). Der Marburger Bund Niedersachsen hat in Bezug auf die Belastung der Ärztinnen und Ärzte an Krankenhäusern Alarm geschlagen. Und erst Anfang Februar beteiligten sich mehrere Tausend Medizinerinnen und Mediziner aus bundesweit 23 Universitätskliniken an einem Warnstreik. Allein an der zentralen Demonstration und Kundgebung des Marburger Bundes in Hannover haben mehr als 3.500 Ärztinnen und Ärzte teilgenommen. Wie sieht die aktuelle Arbeits- und Gesundheitssituation der angestellten Ärztinnen und Ärzte in unserem Bundesland aus? Der Marburger Bund Niedersachsen wollte es genau wissen und hat erstmals im Zuge der bundesweiten Mitgliederbefragung MB-Monitor 2019 auch eine Auswertung speziell für Niedersachsen beim Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) in Auftrag gegeben. An der Online-Befragung beteiligten sich im Herbst 2019 rund 6.500 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus ganz Deutschland. Mehr als 1200 der Rückmeldungen kamen aus Niedersachsen, so viele wie aus keinem anderen Bundesland. Die gewonnenen Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Fast jeder Sechste der Befragten (59 %) arbeitet pro Woche 49 Stunden und mehr. An den Universitätskliniken leistet mehr als jeder Vierte (27 %) sogar über 60 Stunden die Woche. Die Diskrepanz zwischen tatsächlicher (durchschnittlich rund 51 Stunden) und präferierter (rund 39 Stunden) Arbeitszeit ist groß. In jeder vierten Klinik in Niedersachsen (25 %) findet kein Ausgleich der Überstunden statt, jede dritte Klinik (31 %) erfasst keine Arbeitszeiten. Die Arbeitsbelastung ist alarmierend: Mehr als die Hälfte der Befragten (54 %) fühlt sich häufig bis ständig überlastet. Am stärksten betroffen: Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung (62 %). Lediglich jeder vierte Befragte aller beruflichen Positionen (27 %) gibt an, genügend auf die eigene Gesundheit zu achten. Ein Fünftel der Befragten (21 %) hat schon einmal eine Überlastungsanzeige gestellt, bei 88 Prozent hat sich daraufhin jedoch nichts verändert, beziehungsweise die Bedingungen wurden sogar schlimmer. Über 70 Prozent (71 %) bestätigen eine Beeinträchtigung der Gesundheit, so hinkt beispielsweise die Schlafqualität bei 60 Prozent. Berge an Überstunden, fehlende Pausen (62 % verzichten mehrmals die Woche darauf), zu wenig Zeit und Energie für das Privat- und Familienleben (dieses leidet bei 72 %) - die Unzufriedenheit ist groß: Sieben von zehn Ärztinnen und Ärzten (69 %) sind mit ihren Arbeitsbedingungen nicht zufrieden, jeder Fünfte beurteilt sie sogar als "schlecht" oder "sehr schlecht". 84 Prozent der Chefärzte sind unzufrieden. Knapp jeder Fünfte (17 %) erwägt, die ärztliche Tätigkeit ganz aufzugeben. Auch im Agaplesion Klinikum Schaumburg haben diese Ergebnisse die Geschäftsleitung aufhorchen lassen. "Denn sie werfen ein beunruhigendes Licht auf die Arbeits- und Gesundheitssituation der angestellten Ärztinnen und Ärzte, die sich an der Umfrage beteiligt haben", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme. Entscheidend für die gesamte Krankenhauswelt seien die politischen Rahmenbedingungen. Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im letzten Jahr auf den Weg gebrachten Veränderungen werden das Geschehen in der Krankenhauswelt grundlegend verändern. "Eine verlässliche Entwicklungsplanung und Prognose der Arbeitssituation für Mitarbeitende an deutschen Kliniken wird dadurch erschwert. Diese Situation ist für uns in Schaumburg nicht anders als für andere deutsche Kliniken." Mit Blick auf die Fachkräftegewinnung konnte das Agaplesion in 2019 im patientennahen Bereich einen großen Schritt machen, die Herausforderung, dem Mangel zu begegnen bleibt und so lautet auch für 2020 das Ziel, weitere Fachkräfte zu gewinnen. Der bürokratische Aufwand beispielsweise durch das komplexe Abrechnungssystem ist hoch. Am Agaplesion werden die Ärztinnen und Ärzte durch den Einsatz von Kodierfachkräften, die sich explizit mit der korrekten Erfassung erbrachter medizinischer Leistungen befassen, sowie durch das digitale Dokumentationssystem entlastet. Die Tendenz geht jedoch in Richtung einer Zunahme der Verwaltungstätigkeiten. "Wir würden uns von der Politik ein klares und eindeutiges Einschreiten zum Abbau der Bürokratie wünschen", betont die Geschäftsleitung. Die Erhöhung der Studienplatzzahl für Medizinstudierende wäre ein positives Signal, das jedoch nur seinen Effekt entfalten könne, wenn gleichzeitig bürokratische Anforderungen abgebaut werden. Um den Auswirkungen der allgemeinen Arbeitsbelastung zu begegnen, gibt es am Agaplesion interne Angebote im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung, die sich sowohl auf physische als auch auf die psychische Gesundheit beziehen. Foto: Archiv/Marburger Bund

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