1. "Und das hältst du auch durch?"

    Mein Experiment: Wie herrlich eine Woche ohne Handy sein kann / Wenn man es nicht vermisst

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    Keine fünf Minuten lag es ausgeschaltet in der Schublade des Schreibtisches, da musste ich es wieder hochfahren: mein Handy. Ich wollte schnell meinen Mann erreichen, der sich irgendwo draußen zwischen Wald und Wiesen aufhielt. Seine Mobilnummer war, warum auch immer, nicht im Festnetztelefon eingespeichert. Nach dieser Aktion blieb mein Smartphone aber tatsächlich sieben Tage am Stück aus und in der Schublade. Und es war herrlich. Ich vermisste es absolut nicht. Ganz im Gegenteil: Ich könnte mich glatt daran gewöhnen. Zugegebenermaßen, es gab Momente, in denen ich umplanen musste. Da wollte ich Ostern zum Beispiel noch einen offenen Rechnungsbetrag überweisen, was mit einem ausgeschalteten Handy bei Onlinebanking durchaus ein Problem darstellt. Statt ganz altmodisch einen Überweisungsträger auszufüllen und bei der Bank einzuwerfen, übernahm meine bessere Hälfte die Zahlung. Auch nicht schlecht. Um nicht zu verschlafen, musste mir meine Mutter in der Nacht von Karfreitag auf Ostersamstag noch einen herkömmlichen Wecker organisieren. Zitat: "Hier nicht gegen kommen, sonst klingelt er nicht mehr." Wie ein rohes Ei trug ich ihn in mein altes Kinderzimmer. Das Ticken hat mich fast um den Schlaf gebracht. Dafür saß ich mit dem schrillen Klingeln senkrecht im Bett (sonst wecken mich die Red Hot Chili Peppers mit ihrem sanft lauter werdenden "Snow"-Song). Damit gehörte der Schlummermodus in Endlosschleife der Vergangenheit an. Auch der Klebezettel feierte bei mir sein Comeback. So eine handgeschriebene Mitteilung, dass man kurz einkaufen ist, hat doch weitaus mehr Charme als das virtuelle Pendant. Und ich habe wohl selten so oft mit meiner Schwester telefoniert wie in dieser Woche. Das überschaubare Fazit: 144 Nachrichten, sechs entgangene Anrufe und eine verpasste Geburt. Denn heute werden auch diese freudigen Botschaften kurzerhand in Gruppen verbreitet. Eine Freundin berichtete mir auf Nachfrage von dem Ereignis, sodass wir mit nur zweitägiger Verspätung den frisch gebackenen Eltern gratulieren konnten. Aber auch das habe ich gemerkt: Allein im Auto oder zu Fuß in Wald und Wiesen unterwegs, wünschte sich mein sicherheitsliebendes Inneres Ich, wenigstens ein Handy dabei zu haben. Einer der Gründe, warum ich nicht dauerhaft auf das Gerät verzichten möchte. Feststeht aber, dass ich es weitaus öfter einfach lautlos gestellt oder im Flugmodus in der Handtasche verschwinden lassen werde. "Und das hältst du durch?"- Erstaunlicherweise reagierten viele, irgendwo zwischen Respekt und Verständnislosigkeit, mit dieser Frage auf meine Aussage, ich hätte zurzeit kein Handy. Da frage ich mich: Ist es schon so weit, dass dieses aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist? Oder sind es nur das Zeitalter der Digitalisierung und ein gesellschaftlich gewachsener Zwang, die uns glauben lassen, dass wir ständig erreichbar sein müssen, um nichts zu verpassen? Dabei verpassen wir doch so viel mehr, wenn wir ständig "online" statt im realen Hier und Jetzt sind. Foto: jl

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