1. "Weg zurück in Welt der Mauern kann nicht die Lösung sein"

    Neujahrsempfang der SPD-Stadthagen / Aufruf zu einer offeneren Gesellschaft

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    STADTHAGEN (bb). Beim Neujahrsempfang der Stadthäger SPD im Ratskellersaal hat der Landrat des Kreises Hameln-Pyrmont Tjark Bartels als Gastredner zum Festhalten an einer offenen Gesellschaft und einer gemeinschaftsorientierten Problembewältigung aufgerufen. Politik müsse Dialoge organisieren und Entwicklungen erklärbar machen, um einer weitverbreiteten Schwarzmalerei entgegenzuwirken, die bei Manchem zu Zweifeln am freiheitlich-demokratischen System führe. Die große Politik wirkte sich an diesem Tag direkt auf den Neujahrsempfang der Stadthäger SPD aus, wie der Vorsitzende der Sozialdemokraten in der Kreisstadt Jan-Philipp Beck in seiner Begrüßung festhielt. Der eigentlich als Gastredner vorgesehene niedersächsische Innenminister Boris Pistorius war durch die Koalitionsverhandlungen in Berlin gebunden und hatte deshalb seinen Besuch abgesagt. Tjark Bartels, Landrat des Nachbarlandkreises, sprang kurzfristig als Gastredner ein. Der Stadthäger SPD-Chef Beck betonte nach einem kurzen Rückblick auf das Jahr 2017, dass es in Zukunft wesentlich stärker darauf ankommen werde, "die Gesellschaft zusammenzuhalten". Trotz stabiler wirtschaftlicher Entwicklung und sinkender Arbeitslosenquote hätten viele Menschen das Gefühl, abgehängt zu werden. Für Themen wie Pflege, gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land, bezahlbaren Wohnraum und die Sicherung der Arbeitsplätze vor Ort müssten tragfähige Lösungen gefunden werden. Zuversichtlich stimme ihn die im Bereich der Flüchtlingshilfe deutlich gewordene Bereitschaft, sich ehrenamtlich für den sozialen Zusammenhalt zu engagieren. Dies sei die Grundlage, auf die eine starke, solidarische Gesellschaft aufbauen könne. Tjark Bartels wies zu Beginn seiner Rede auf ein "paradoxes" Abweichen von den Wahrnehmungen in weiten Teilen der Öffentlichkeit und der tatsächlichen Entwicklung hin. "Das mit der Kriminalität heute ist wirklich schlimm", sei beispielweise nicht selten zu hören. Tatsächlich zeige die Statistik, dass sich die Kriminalität über die lange Linie seit Jahrzehnten verringere. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Verbrechens zu werden, sinke stetig. Ähnlich sehe es in vielen weiteren Bereichen aus: Die Lebenserwartung sei gegenüber beispielsweise den 50er Jahren ganz erheblich gestiegen. Die Ausgaben für Bildung seien in der Bundesrepublik von 1995 bis 2017 verdoppelt worden. Bei allen krisenhaften Entwicklungen in der Welt bleibe festzuhalten, dass die Zahl der Kriegstoten und Verfolgten heute gegenüber den Dimensionen des Zweiten Weltkrieges weit zurückbleibe. Solche langfristigen Entwicklungen würden oft aus den Augen verloren, weil heute medial "immer öfter einfach die nächste Sau durch das Dorf getrieben" werde. Problematisch sei dies, weil derzeit vor dem Hintergrund dieser Wahrnehmung verstärkt die Ansicht verbreitet werde, dass das freiheitlich demokratische System im Prinzip in die falsche Richtung führe. Den weitgehenden Frieden in der westlichen Welt hätten jedoch Prinzipien wie Säkularität, Toleranz und Demokratie gebracht. Paradox sei, dass derzeit häufig als Antworten auf Probleme eine Zurückwendung auf eine "Welt der Abgrenzung, eine Welt der Mauern" propagiert werde. Und damit eine Zurückwendung auf eine Welt, die eben zu den Millionen von Toten im Zweiten Weltkrieg geführt habe, so Bartels. Beobachtbar sei beispielsweise eine erhebliche Wandlung in den Ansichten wie mit Zuwanderung umzugehen sei. Sei Flüchtlingen vor 2,5 Jahren mit großer Unterstützung begegnet worden, werde nun häufig der nahezu totalen Abschirmung das Wort geredet. Nicht alle Flüchtlinge seien angekommen aber viele seien auf einem "exzellenten Weg". Solches werde von gewissen Kreisen nicht wahrgenommen, sondern die gesamte Willkommenskultur als falsch abgebügelt. Vor Ort gelte es jedoch, den "Weg des Gemeinsamen" weiterzugehen. Die politische Willensbildung sei ein Prozess und Aufgabe der Parteien sei es, diesen mit Diskussionen zu beflügeln und mit Vorschlägen aktiv zu gestalten. Und nicht nur den Ergebnissen von Umfragen hinterherzulaufen. Probleme seien nicht zu leugnen. Etwa, dass viele Menschen nicht ausreichend am wirtschaftlichen Aufschwung Teil hätten. An Politik sei es, die durchaus komplexen Entwicklungen erklärbar zu machen und Dialoge zu organisieren, welche die Menschen einbinden. Auf dieser Grundlage könne man zuversichtlich sein, die anstehenden Probleme zu bewältigen. Man brauche sich jedoch nicht einreden lassen, dass man mit dem politischen System der Bundesrepublik und der westlichen Demokratien grundsätzlich auf dem falschen Weg wäre.Foto: bb

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