1. In der Gegenwart angekommen

    Die Hochschule für Musik zeigt die Oper "Martha"

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    Detmold (kh). Wenn Prof. Manfred Roth zweimal jährlich an der Opernschule der Hochschule für Musik Detmold weilt, um Studierenden der Gesangsklassen praktische Einblicke in den Bühnenalltag zu vermitteln, dann kann man sicher sein, dass am Ende der Arbeitsphase eine Inszenierung stehen wird, die es zu besuchen lohnt. Seit nunmehr 18 Jahren ist der ideenreiche und kreative Theatermann einer derjenigen, die für szenischen Unterricht zuständig sind. Mit der Oper "Martha" bringt er nun seine letzte "große" Produktion für die Hochschule auf die Bühne.

    Friedrich von Flotows (1812–1883) "Martha" also soll auf die Bühne kommen. Und damit ein Werk, das heutzutage so gut wie nicht mehr auffindbar ist im Repertoire der Opernhäuser. Roth indes kann sich für die Geschichte um Lady Harriet inklusive des Lobgesangs auf das Porterbier und der Gesangsnummer von der "Letzten Rose" so richtig begeistern. Und zwar nicht nur, weil Flotow in seinem Werk treffsicher eine Reihe Ohrenschmankerl verwebt – sondern insbesondere, weil sich das Bühnenwerk bei genauerem Betrachten als "Biedermeier auf Weltniveau" entpuppt. Denn obwohl selbst Gutsbesitzersohn und aus einem winzigen Dorf bei Schwerin stammend, zeige Flotow sich erstaunlich kosmopolitisch, weiß Roth. Und dem Adel im Deutschland der 1850er Jahre stelle er mit seiner mit ironischen Untertönen gespickten Oper jedenfalls kein gutes Zeugnis aus.

    Ganz nüchtern betrachtet, klingt der Inhalt der Oper tatsächlich gar nicht beschaulich-biedermeierlich: Ein gelangweiltes Luxusweib hat sich in den Kopf gesetzt, mal so zu leben wie die Dienerschaft und lässt sich als Magd anheuern. Sie ist zwar für keine der ihr aufgetragenen Aufgaben brauchbar, aber ihrem Brötchengeber gefällt sie. Und er ihr. Als er ihr aber einen Heiratsantrag macht, behält dann doch ihr Standesdünkel Oberhand und sie nimmt Reißaus. Welch grauenhafte Vorstellung für die abgefeimte Lady, jemandem unter ihrem Niveau zu ehelichen ... Den Düpierten lässt dies in eine tiefe Lebenskrise stürzen. Als sich später herausstellt, dass er ihr sozial und finanziell gleichgestellt ist, scharwenzelt sie erneut um ihn herum und kann ihn sich schließlich doch noch angeln.

    Für einen einfallsreichen Zeitgenossen wie Roth ist das mehr als genug Stoff, um hinabzusteigen zu den Ebenen, die unter der vermeintlich heiteren Oberfläche der grazilen Rhythmen und eingängigen Melodien liegen. Pointiert verdichtet er die zum Genre gehörenden Klischees, indem er sie mit den Stereotypen von heute konfrontiert: "Das werden keine lustigen Mägde sein, die das Publikum zu sehen bekommen wird", erläutert der Regisseur. "Das sind unreflektierte High-Society-Ladys, die aus purer Langeweile einen Zeitvertreib suchen, ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken", sagt er. "Hier geht es nicht bloß um verletzten Stolz, sondern um Psychohorrorterror und öffentliche Demütigung". Kein Zweifel: Bei Roth ist "Martha" in der Gegenwart angekommen. Hintersinnig befragt er in seiner Inszenierung die "Liebesgeschichte" von Harriet und Lyonel und gelangt dabei zu einer interessanten Schlussfolgerung ...

    Zu erleben ist "Martha" bei freiem Eintritt am Freitag, 30. Januar, um 19.30 Uhr sowie am Sonntag, 1. Februar, um 18 Uhr im Detmolder Sommertheater. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Fabio Vettraino, der die Sänger auch am Klavier begleitet.

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an