1. In ihren Fingern brennt die Leidenschaft

    Nareh Arghamanyan begeistert mit Klavierabend / Saisoneröffnung

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    STADTHAGEN (jl). Was treibt rund 90 Menschen dazu, mucksmäuschenstill und wie versteinert auf ihren Plätzen auszuharren, ja zeitweilig sogar den Atem anzuhalten? Im Kaminsaal des Stadthäger Schlosses ist es eine junge Dame im pinken Abendkleid und ein ganz normales Klavier gewesen. Was Nareh Arghamanyan allerdings zeigte, war alles andere als normal.

    Mit dem Klavierabend eröffnete Kultur Stadthagen e.V. seine Saison 2012/2013. Für die neue Saison verspreche er ein "gleichermaßen abwechslungsreiches und ausgewogenes Programm", bei dem die "hohe Kunst und Qualität" nicht zu kurz komme, begrüßte der Vorsitzende Dr. Bernward Bock die Gäste. Wie recht er damit hat, bewies sogleich die junge Pianistin Arghamanyan, die sich zum Auftakt der Partita Nr. 2 c-Moll BWV 826 von Johann Sebastian Bach widmete, ihrer "großen Liebe" wie es Bock ankündigte. Es folgten die Fantasiestücke op. 12 für Klavier von Robert Schumann.

    Voller Leidenschaft und mit ganzem Körpereinsatz begeisterte die gerade einmal 23-jährige Künstlerin am Klavier. Den Kaminsaal hüllte sie in sanfte Töne, um ihn im nächsten Moment umso kraftvoller zu durchdringen. Wenn der Zuhörer das Gefühl hatte, ihre Finger würden die Tasten nur zart streifen, legte sich eine fast unheimliche Stille über sie. Lediglich das Rascheln der Programmblätter, das Reiben eines Jacketts, leises Ausatmen und ersticktes Husten war zu vernehmen. Wie die in Armenien geborene Pianistin selbst vergaßen sich auch die Gäste. Die einen hatten den Kopf auf den Arm gestützt, die Augen geschlossen und ließen die Finger virtuell mitspielen; andere schüttelten ungläubig den Kopf, was ihre Ohren da hörten und ihre Augen sahen – Arghamanyan entführte ihr Publikum in eine andere Sphäre, fern ab dem stressigen Alltag. Zum Schluss eines brillant gespielten Satzes raunte jemand aus dem Publikum, noch völlig versunken im Meer der Klaviertöne: "Sehr schön!" Den Tönen zu folgen war eine Reise durch die Kreativität einer Künstlerin. Ihren Fingern aber zu folgen, war eine unmögliche Aufgabe. Flink wie ein Wirbelwind fegten sie über die Tastatur. "Die braucht kein Orchester! Sie macht das alles mit zehn Fingern", rief ein begeisterter Publikumsgast seiner Nachbarin zu als es in die Pause ging. Danach sprudelte die zierliche Pianistin nur so vor lebendiger Leidenschaft. Sie spielte für Klavier bearbeitete Lieder von Sergei Rachmaninow. In ihren Fingern brannte ein musikalisches Feuer, das nicht nur die Klaviertasten zum Glühen brachte. Ihr selbst stand der Schweiß auf der Stirn. Lagen ihre Haare zu Beginn noch glatt auf dem Rücken, lösten sich nun die ersten Wirbel. Je schneller und kraftvoller das Stück, desto wilder wirkte die Künstlerin selbst. Dabei entfesselte sich nicht nur eine Passion, sondern auch die eine oder andere Haarsträhne. Geradezu explosiv inszenierte sie zum Abschluss das imposante Werk "Islamey – Orientalische Fantasie für Klavier" des russischen Komponisten Mili Alexejewitsch Balakirew. Das 1869 komponierte Stück habe lange Zeit als das schwierigste Stück überhaupt gegolten, betonte Bock zu Beginn. "Wir wollen heute aber nicht olympisch denken. Die Kunst soll im Vordergrund stehen." Die Pianistin, die bereits mit fünf Jahren das Klavier für sich entdeckte, gab sich auch diesem Werk leidenschaftlich hin und brillierte auf ganzer Linie. Schweratmend und leicht zerzaust ließ sie den letzten Ton verstummen. Erschöpft von dem kleinen Kraftakt zeigte sich Arghamanyan aber keineswegs. Sie gab eine dreifache Zugabe, die das Publikum mit stehender Ovation quittierte. "Bravo! Toll, einfach faszinierend", ertönte es nun von Seiten der Zuhörer. Foto: jl

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