1. Dreigliedriges Schulsystem ist Schnee von gestern

    Eltern entscheiden mit ihren Anmeldezahlen, wohin die Reise geht

    Dieser Eintrag wird bereitgestellt durch Schaumburger Wochenblatt | Impressum

    RINTELN (ste). "Wer heute noch meint, ein klassisches, dreigliedriges Schulsystem ist zeitgemäß, der verkennt die Tatsachen und ignoriert die Entscheidung der Eltern", sind sich die drei Schulleiter Reinzold Lüthen vom Gymnasium Ernestinum, Horst Kynast von der Hildburg-Realschule und Heinz Pettenpaul von der Hauptschule am Ostertor einig. Sie warben jetzt in einem Gespräch mit Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz für die Einführung einer Integrierten Gesamtschule in Rinteln und hatten dazu eine Vielzahl von Argumenten im fachkundigen Gepäck. Bremen, so Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz einleitend, mache es vorbildlich: "Es gibt Gymnasien und daneben integrierte Schulsysteme mit allen Abschlussmöglichkeiten!" Und eben diese Möglichkeiten eines höheren Schulabschlusses wie Abitur sind es, die die Eltern mehr und mehr dazu bewegen, ihre Kinder in die Gymnasien gehen zu lassen. Und so sehen die Schulleiter auch anhand der Anmeldezahlen einen klaren Trend weg vom jetzigen Schulsystem, dass noch auf einer alten Drei-Klassen-Gesellschaft mit Adel, Bürgertum und Arbeitern basiert.

    Die Hauptschule hat für das kommende Schuljahr gerade einmal 33 Anmeldungen (2 Klassen), während es in der Realschule mit 85 Anmeldungen für drei Klassen reicht und im Gymnasium 144 Schülerinnen und Schüler eine Fünfzügigkeit nötig machen. Und schon jetzt ist es mehr als eine Klasse Rintelner Schülerinnen und Schülern, die sich für die IGS in Obernkirchen angemeldet haben und Rinteln als Schüler sozusagen verloren gehen: "Wer da noch die Augen verschließt und meint, man könne so weitermachen wie bisher, der verkennt die Entwicklung", so Heinz Pettenpaul, der deutlich macht: "Ich gehe im kommenden Jahr in den Ruhestand, hätte aber auch vor 20 Jahren bei gleicher Entwicklung genau so argumentiert!"

    Doch nicht nur die quantitative Entwicklung anhand der Anmeldezahlen lässt die Schulleiter aufhorchen, auch einer qualitativen Verschiebung gilt es entgegenzuwirken. So halten sich viele Schüler in Schulformen auf, die ihnen Probleme bereiten. Nachhilfe wird da zum Standard.

    Und auch gesellschaftspolitisch, so Pettenpaul, sei eine Separierung von Schülern nach der vierten Klasse alles andere als integrativ. So werde in der Gesellschaft immer wieder über die Integration von Ausländern, Behinderten oder Lernschwachen geredet, doch in der Schule trenne man rigoros und viel zu früh nach der vierten Klasse und sortiere in die vorhandenen Schulformen ein: "Das führt auch zu massiven Problemen in den Elternhäusern", weiß Pettenpaul, der den familiären Zusammenhalt zerbröckeln sieht.

    Die Frage stelle sich nun, wie man dem entgegensteuern könne. Im schulischen Ansatz hieße das konkret: "Kinder länger zusammen lernen lassen!" Später könne man dann anhand der festgestellten Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler darüber entscheiden, wie der angestrebte Abschluss heißen könne: "Aber zu Beginn müssen alle in den Genuss der Möglichkeit des Abiturs kommen", sind sich die drei Schulleiter einig.

    Wo die Oberstufe für das Abitur angesiedelt sein muss, das weiß Reinhold Lüthen ganz genau: "Am Gymnasium; hier haben wir die notwendigen Fachräumlichkeiten und das Know-How!"

    Auch Horst Kynast von der Realschule sah in integrativen Schulmodellen die Zukunft: "Schon jetzt gibt es Kooperationen zwischen der Haupt- und der Realschule!" Die vielgestellte Frage, ob denn leistungsschwache Schülerinnen und Schüler die Klassenleistung herunter ziehen und stärkere Kinder in ihren Lernfähigkeiten behindern, sei bislang noch nie analytisch nachgewiesen. Heinz Pettenpaul sah es aus seiner Erfahrung eher umgekehrt: "Leistungsstarke Schüler übernehmen Führungsfunktionen in der Klasse und das ist auch für sie von Vorteil!" Ein "verplempern" von Talenten könne sich in der heutigen Zeit, da Facharbeitermangel drohe, niemand mehr leisten.

    Und so sind sich die Rintelner Schulleiter einig: "Wir brauchen eine Rintelner IGS!" Und warum gerade Rinteln ein Standort für eine IGS sein müsse, wussten sie auch: "Rinteln hat schon immer ein gutes Schulangebot und auf diesem Weg müssen wir auch weitergehen; wir sind schließlich kein Dorf und sollten unsere Fünftklässler nicht auf langen Schulwegen über den Berg schicken!"

    Erfolge kein Umdenken in der Schulpolitik und gehe der Trend so weiter, dann, so Reinhold Lüthen, entwickele sich das Gymnasium quasi zu einer IGS, denn: "Immer mehr Eltern wählen für ihren Kinder die Schulform Gymnasium!" Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz ist froh über so viel Einigkeit in der Unterstützung des Rintelner Anliegens zur Schaffung einer IGS in der Stadt. Doch wie der in Hannover zur Entscheidung liegende Antrag ausgehe, darüber wollte Buchholz sich keinen Illusionen hingeben. Foto: ste

  2. Kommentare

    Bitte melden Sie sich an